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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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musst.
    Oder du stehst auf und gehst. Du gehst zu dem Mistkübel dort vorne, wirfst die Bierdose weg. Scheißegal, dass da noch etwas drinnen ist. Geh weiter, geh zum Bahnhof. Rein in den Zug! Bratislava! So ein Flug nach Palma de Mallorca kostet 200 Euro. Das treibst du auf. Und dann, sobald du im Flieger bist, auf Wiedersehen altes Leben! Niemand wird sich dort einen Dreck scheren, woher du kommst.
    Sam blickte sich noch mal um. Der Punk mit den blauen Lippen und dem tätowierten Gesicht neben ihm drehte sich einen weiteren Joint. Sam hatte ihn aufgrund seines Geruchs Mufti genannt. Seine Freundin brüllte im Suff ihren Hund an. Sam roch den Geruch von Urin und Schweiß. Irgendeiner der Punks war im Gebüsch verschwunden und allmählich roch man den Geruch seiner Exkremente. Aber irgendwie war es jedem egal, dass es stank, als hätte er aus einer Giftdeponie gefressen. Es war an der Zeit zu gehen.
    Als er aufstand, und sich zum Gehen wandte, sah er zwei Typen in Uniform. Doch er war sich seiner sicher und ging ohne zu zögern an ihnen vorbei. Er lächelte sie sogar an. Er fühlte sich das erste Mal seit langem wieder frei. Er konnte es gar nicht erwarten, in den Zug zu steigen. Er griff in seine Tasche und stieß mit den Fingern an die harten Ränder einer Visitenkarte. ›Prof. Leonid Minsk, freischaffender Mentalist und Okkultist‹ - Das war der Mann, der ihnen das Auto geborgt hatte.
    Sam atmete tief durch. Auf einen Versuch wollte er es noch ankommen lassen. Er ging zu einer Telefonzelle und wählte die Nummer.

Epeiso dion
    »Siehst du Athene? Das ist es, was ich meine!«
    »Du wirst doch nicht ernsthaft behaupten wollen, dieses traurige Schauspiel war ein Erfolg? Es ist furchtbar, mit ansehen zu müssen, wie er sich dem Elend nähert und sich quält.«
    »Freier Wille!«
    »Deine Gaben nahmen ihm den freien Willen. Die Trunkenheit gab ihm die Haltung, das Leid aussitzen zu wollen. Ohne den Rausch wäre er womöglich schon früher aufgestanden.«
    »Er hat im richtigen Moment auf den Ruf gehört.«
    »Hat dieses Schauspiel nun endlich ein Ende?«
    »Nein, noch hat er seine Lektion nicht gelernt.«

Phönix

    »Wir haben immer die Menschen aufgefordert: Nehmt kein LSD, wenn ihr nicht speziell darauf vorbereitet seid. Nehmt es nicht, wenn ihr nicht jemanden sehr Erfahrenen bei euch habt, der euch begleitet. Und nehmt es nicht, wenn ihr nicht bereit seid, euren Blick auf euch selbst und auf euer Leben radikal zu verändern, weil ihre eine andere Person sein werdet. Ihr müsst bereit sein, euch mit dieser Möglichkeit auseinanderzusetzen.«
    ― Timothy Leary

    Sam stopfte jubelnd die stinkenden Fetzen, die er in den letzten Tagen aus Mangel an Alternativen am Leib hatte tragen müssen, in die Mülltonne. Das Oberteil des Narrenkostüms, die ausgebeulte Trainingshose und der mottenzerfressene Mantel waren für ihn zu Symbolen von Niedergang, Verlust und Entwürdigung geworden. Exakt fünf Nächte hatte er damit wie ein Penner auf der Straße verbracht.
    Zu lange hatte er es nicht gewagt, Freunde in Wien um Hilfe zu bitten. Der Kumpel, den Sam letztlich anrief, hatte vor lauter Zocken und Serverkonfigurieren nicht einmal mitbekommen, dass Sams Bild in den Nachrichten gezeigt worden war.
    Sam musterte sein neues Outfit. Es war nicht der letzte Schrei aus Paris, aber die Aufschrift ›Jedi Academy‹ am T-Shirt gab ihm zumindest das Gefühl, wieder er selbst zu sein. Er stapfte durch die Straßen Wiens, um ein Wirtshaus in Kaisermühlen zu suchen, wo er die seltsamste Person treffen wollte, der er jemals begegnet war. Als er es schließlich gefunden und betreten hatte, fühlte er sich in eine andere Zeit zurückversetzt. Die abgenutzte Einrichtung der Wirtsstube erinnerte ihn an die alten Peter-Alexander-Filme, die er als Kind immer mit seiner Großmutter hatte ansehen müssen.
    Im Stüberl drängten sich hauptsächlich ältere, grauhaarige Männer um abgestoßene, alte Holztische. Gesetze zum Nichtraucherschutz wurden kollektiv ignoriert. Auch der beleibte, mondgesichtige Wirt scherte sich einen Teufel darum. Dann und wann hetzte er hektisch an den Gästen vorbei und brachte mehr Bier und Wein von der Schank mit, als er tragen konnte, ohne hin und wieder etwas davon zu verschütten. Immer dann, wenn er eine neue Bestellung am Tisch ablieferte, tupfte er sich mit einem karierten Tuch die Stirn ab und stellte seufzend fest, wie furchtbar alles war.
    »Dass diese Beamten eine Frühpension bekommen, ist eine

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