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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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kam. Als der Professor schließlich die Gartentür aufsperrte, wurde Sam klar, dass er nicht träumte. Der Student schritt durch einen alten, gepflegten Garten hin zu einer mächtigen Eichentüre. Auch hier passte der Schlüssel an Minsks Bund.
    »Ich weiß genau, was du denkst. Wie kommt jemand, der im Zirkus arbeitet, zu so einem Haus. Wenn du den Thelema-Pfad einmal beschritten hast, wird Geld nebensächlich. Ich bin schon lange nicht mehr auf ein geregeltes Einkommen angewiesen. Komm jetzt!«
    Sam fand sich inmitten eines Vorraumes mit zahlreichen alten Ölgemälden und stuckverzierten Wänden wieder. Sein Blick fiel auf das Bildnis eines Mannes mit weißem Bart und weißer Halskrause. Sam entzifferte die Schrift auf dem Portrait: »Johannes Dee Anglus Londinensis Aet. suae 67«. Unweit daneben und vom Eingang aus unübersehbar, beherrschte die Büste eines kahlköpfigen, streng dreinblickenden Mannes, die mit ›to mega therion‹ beschriftet war, den Vorraum.
    Minsk bat seinen Gast, ihm in das Zimmer, aus dem auch die Musik erklang, zu folgen. Als Sam den Raum betrat, sah er einen Mann und eine Frau auf einem alten Sofa sitzen. Jeder von ihnen hatte ein Glas mit Absinth vor sich auf einem alten Holztisch stehen. Rauchschwaden stiegen vom Tisch auf. Der Ältere hatte einen grauen Rauschebart und lange Haare. Seine Stirn war bereits kahl. Er erhob sein Glas, als er Minsk sah und grüßte ihn mit den Worten: »Das Biest ist also zurückgekehrt.«
    Sam richtete seinen Blick auf die rothaarige bunt gekleidete Frau neben dem vermeintlichen Althippie. Er schätzte sie auf Mitte dreißig. Sie erhob sich, sah Sam verführerisch an und ging auf ihn zu. Sie fixierte ihre Augen auf den Studenten, während Minsk sich ein Grinsen nicht verbergen konnte.
    »Welchen Adonis bringst du uns hier, Leonid?«, fragte sie und strich Sam dabei über die Wange.
    »Das ist Epona. Sie ist Künstlerin. Du wirst ihre neue Ausstellung lieben«, sagte Minsk.
    Der Russe fuhr fort, Sam in der Runde vorzustellen. Vier Leute saßen um einen viereckigen Tisch und pokerten. Unzählige leere Flaschen Alkohol und überfüllte Aschenbecher ließen kaum ausreichend Platz für die Karten. Sams Blick fiel auf die beiden leicht ergrauten Zwillinge, die ihr Hemd hochgekrempelt hatten. Minsk erklärte, dass beide ehemalige Zirkusartisten waren.
    Sam merkte bald, dass es keinen Sinn hatte, auch nur zu versuchen, sich die Namen von Minsks Gästen zu merken. Immer wenn er geglaubt hatte, einen Überblick über die Anwesenden gewonnen zu haben, trat ein neues Gesicht hinzu. Interessante Personen jeden Alters und Geschlechts gingen bei Minsk ein und aus, doch so interessant die Menschen um ihn herum auch waren, Sam fühlte sich von den Eindrücken regelrecht erschlagen. All der Alkohol, die Müdigkeit und so viele neue Gesichter! Irgendwann landete er mit einem Glas Wodka auf dem Sofa und starrte ins Leere, aber die Ruhe währte nur kurz. Jemand betrat den Raum. Lange braune Haare, ein rundes, russisches Gesicht, ein gazellenhafter, braungebrannter Körper. Sam konnte seine Augen nicht von der jungen Frau abwenden, die regelrecht durch den Raum schwebte. Während er noch träumte, stieß Minsk ihn an.
    »Kommen wir zur wichtigsten Bewohnerin meines Hauses«, sagte er, als er Sam mit dem Ellbogen leicht anstieß. »Muschka! Eine wahre Streunerin! Schon ein wenig alt, manchmal ein wenig mürrisch, aber sie behält immer den Überblick. Eine echte Mäusefängerin.«
    Lange braune Haare, ein rundes russisches Gesicht, ein gazellenhafter, braungebrannter Körper. Mäusefängerin?
    In diesem Moment spürte Sam, wie etwas um seine Füße strich. Als er nach unten blickte, sah er eine dreifärbige Katze, die ihn argwöhnisch musterte.
    »Aber ebenso wichtig in diesem Haus ist Nadja«, grinste Minsk und bat die junge Frau, näherzukommen, »meine Tochter!«
    Sam hatte sich in ruhigen Momenten schon öfter überlegt, was er seiner Traumfrau sagen würde, wenn sie ihm gegenüberstünde. Aber jede noch so geistreiche Idee löste sich gerade innerhalb weniger Sekunden in Wohlgefallen auf. Nicht einmal der Alkohol half ihm, die passenden Worte zu finden. Ein gekrächztes »Hallo« und die Gewissheit, nicht umgefallen zu sein, als sie ihn angelächelt und ihm die Hand gegeben hatte, waren aber zumindest einmal ein Anfang.
    »Es ist spät, lass uns schlafen gehen! Wir haben morgen einen anstrengenden Tag vor uns«, murmelte der Professor. »Ich habe für meine Schüler ein

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