Der Narr
vielleicht eine ganz gute Grundeinstellung für einen Frischling, aber ihm fehlt der echte innere Zugrunz, um mal eine Wildsau wie ich zu werden. Und der Fremde? Muss ein Piefke gewesen sein. Sprach zwar nicht so, hat aber gemeint, er kommt von dort. Vollkommen fehl am Platz. Ein T-Shirt mit so einem Nerd-Aufdruck! Wenn der sich von Ceallach nicht den Mantel ausgeborgt und umgehängt hätte, wäre er womöglich an den Pranger gekommen.«
»Denken Sie bitte scharf nach! Sagen Sie uns bitte alles, was uns irgendwie weiterhelfen kann! Wenn Sie raten müssten, wer von den drei Männern im Raum käme als Mörder am ehesten infrage?«
Hildi überlegte. Er schien das erste Mal zu versuchen, eine ernste Antwort zu geben. Er fuhr sich mehrmals durch das Haar und seufzte, bevor er antwortete. Er sprach ohne sarkastischen Tonfall weiter, seine Stimme war nüchtern, beinahe klar: »Jeder von ihnen scheint auf seine eigene Art ein kleiner Psycho zu sein. Beschuldigen will ich aber niemanden.«
»Liegen Gegenstände hier herum, von denen wir DNA-Spuren oder Fingerabdrücke gewinnen können? Die Flasche Met wäre beispielsweise perfekt!«
»Nein, die Flasche ist weg. Aber die beiden haben ohnehin aus einem Trinkhorn getrunken. Es liegt dort vorne auf dem Tisch.«
Minsk
»Die Menschen, die vom Hexenkult angezogen wurden, kamen hauptsächlich aus intelligenten Gruppierungen bestehend aus Handwerkern, Soldaten, Kaufleuten, Ärzten, Matrosen, Bauern und Beamten. Es waren alles Menschen, die das Abenteuer suchten, die ›jungen Wilden‹ ihrer Zeit, kombiniert natürlich mit denen, die sich in der Hoffnung auf Erleichterungen um alles Geheime oder Merkwürdige oder Religiöse scharrten, das heißt, Menschen, die zu einem gewissen Grad sexuell unausgeglichen sind.«
― Gerald B. Gardner – Witchcraft Today
Remmel konnte es gar nicht erwarten, vom Tatort wegzukommen. Er sehnte sich nach den Straßen Wiens, nach der U-Bahn und möglichst viel Beton. Selbst ›U-Bahngäste mit dem faden Aug‹, Wege voller Hundstrümmerl und Psychos, die laut schreiend durch die Wiener Geschäftsstraßen liefen, fehlten ihm. Er würde sogar dem Augustinverkäufer eine Ausgabe abkaufen und sich irrsinnig beherrschen, nichts Böses zu sagen, wenn ihn ein Touristenfänger im Mozartkostüm wieder einmal für einen amerikanischen Urlauber hielt.
Mittlerweile hatten die Kollegen die meisten Besucher des Festes bereits vernommen und deren Aussagen zu Protokoll genommen. Schremser hatte ihnen noch einen Link zur Datenbank geschickt, in der alle Aussagen verzeichnet waren und die sie von Hannis Tablet abrufen konnten. Wie immer hatte Remmel fragende Blicke erhalten, als er sich erkundigte, ob man dies alles irgendwo auch ausgedruckt bekommen konnte.
Die restlichen Formalitäten waren schnell geklärt: Pühringer kümmerte sich um den Abtransport der Leiche – allerdings nicht ohne noch ein letztes Mal anzumerken, dass die Leiche sofort nach Eintreffen der ersten Beamten hätte abtransportiert werden müssen. Remmel gab strikte Order, Beamte nach Hagenberg zu schicken, um die Spur nach dem dritten Verdächtigen aufzunehmen.
Remmel war nicht dumm. Zu oft hatte ihn sein Mentor, der alte Hawlicek, davor gewarnt, dass er sich mit seiner schroffen Art Feinde schaffen würde. Er hatte damit gerechnet, dass die Situation auch dieses Mal angespannt sein würde. Man sah ihn verächtlich an, bevor man ihn mit einem »Jawohl, Herr Chefinspektor« bedachte. Die meisten hätten stattdessen wohl lieber »Wenn du meinst, Arschloch!« gesagt.
Während Pühringer ihm nur die erwarteten, finsteren Blicke zuwarf, unterbrachen Wimmer und Schremser ihre Unterhaltungen immer dann abrupt, wenn Remmel sich ihnen näherte. Was bedeutete ein »Ja« bei seinen Kollegen? War es ein »Ja, ich höre«, ein »Ja, ich habe verstanden« oder ein »Ja, werde ich machen«? Remmel vermutete, dass jeder verstanden hatte, was er wollte, dass seine Kollegen aber anders handeln würden. Sie würden das machen, was ihrer Auffassung nach eher zum Ziel führte, als die Anweisungen des Bladen aus Wien. Vor allem der Kleine hatte sich offensichtlich in den Kopf gesetzt, sich als ›Held von Reichenstein‹ seine Sporen zu verdienen.
Direkt nachdem sie am Tatort angekommen waren, hatte Hanni ihr Smartphone an eine mobile Ladestation angeschlossen. Als sie es wieder in Empfang nahm, zählte sie zwölf unbeantwortete Anrufe am Display. Der Chef wollte alles im Detail wissen. Er wurde hörbar
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