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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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sowieso niemals heranreichen.
    Der Einzige, der ihn jetzt aufheitern konnte, war Bruno. Dabei hatte Rath zunächst daran gedacht, über Pfingsten auf jeden
     Fall wegzufahren, um den Wolters nicht auf der Pelle zu hängen. Doch Bruno hatte ihn mit ernstem Blick angeschaut und gesagt:
     »Du fällst uns doch nicht zur Last! Es ist schön, dich im Haus zu haben, Gereon, weißt du? Für Emmi und mich bist du der Sohn,
     den wir nie hatten.« Rath hatte etwas gebraucht, um zu merken, dass Bruno ihn aufzog. Der Onkel war gerade mal zwölf Jahre
     älter als er, und Emmi Wolter höchstens sieben oder acht. Er musste ein tolles Gesicht gemacht haben. Bruno war in schallendes
     Gelächter ausgebrochen.
    Die Wolters hatten Gäste über Pfingsten eingeladen, ein befreundetes Ehepaar, Rudi und Erika Scheer, und Agnes Sahler, eine
     Freundin von Emmi Wolter, deren Mann vor zwei Jahren verstorben war. Obwohl die Einladungen lange vor Raths Obdachlosigkeit
     ausgesprochen worden waren und eine Verkupplungsabsicht nun wirklich nicht unterstellt werden konnte, entwickelte sich eine
     komische Stimmung zwischen den beiden Alleinstehenden. Beide konnten – oder besser: wollten – miteinander nichts anfangen
     und hielten sich lieber an die beiden Paare in der Runde. Ein paar Mal hatte sich Rath aus der Pfingstgesellschaft gestohlen
     und versucht, Charly anzurufen. Natürlich ging niemand dran.
    Pfingstsonntag hatten die drei Männer abends noch im Garten zusammengesessen, als die Frauen längst im Bett lagen, und getrunken.
     Rudi Scheer, ein freundlicher, stiller Mann um die fünfzig, hatte von alten Zeiten am Schießstand erzählt und wie Bruno dem
     Polizeinachwuchs das Schießen beigebracht hatte. Zum ersten Malhörte Rath etwas aus der Zeit, die Bruno den Spitznamen Parabellum eingebracht hatte. Scheer betreute heute noch die Waffenkammer
     am Alex, doch Bruno hatte mit Waffen überhaupt nichts mehr am Hut. Rath fragte ihn, wie es gekommen sei, dass er zur Sitte
     gewechselt sei.
    »Ach, der Unfall«, hatte Scheer gesagt, war jedoch sofort verstummt, als Bruno ihm einen bösen Blick zuwarf.
    »Es gibt Dinge, von denen sollte man lieber schweigen«, hatte er nur gesagt.
    Dann hatte er das Thema gewechselt. Der Fall Kardakow. Rath erzählte vom Fortgang der Ermittlungen, von denen Böhm ihn jedoch
     ziemlich abgeschnitten hatte. Zörgiebel hatte den Fall wieder dem Oberkommissar übertragen, der ihn ja offiziell auch nie
     abgegeben hatte. Immerhin wusste Rath, dass sie Kardakow noch immer nicht gefunden hatten. Auch die Gräfin blieb verschwunden.
     Nur die beiden Muskelrussen waren am Freitagabend noch verhaftet und zum Alex gebracht worden, doch schon am Samstag hatte
     man sie wieder freilassen müssen. Dass es dieselben Russen waren, die er damals nach der Razzia hatte vernehmen wollen, das
     erzählte er Bruno nicht. Er hoffte, dass sie nicht auf dieselbe Art und Weise wieder auf freien Fuß gesetzt worden waren wie
     die Woche zuvor. Spezialbehandlung! Wenn er nur daran dachte, konnte er sich wieder aufregen! Er hätte die beiden damals schon
     ausquetschen sollen. Dann hätten sie Kardakow vielleicht längst.
    Warum die beiden Russen wirklich wieder freigelassen worden waren, das erfuhr Rath, als er am Dienstagmorgen wieder an seinem
     Schreibtisch in der Burg saß und die Vernehmungsprotokolle las. Fallin und Selenskij hatten glaubhaft beteuert, mit Kommunisten
     nichts am Hut zu haben und erst recht keine Verbindungen zu einer Vereinigung namens Rote Festung zu unterhalten. Und von einem Alexej Kardakow hätten sie noch nie etwas gehört. Glaubhaft waren sie vor allem deswegen, weil
     sie noch die Urkunden besaßen, die zeigten, dass sie vor ihrer Flucht aus dem revolutionärenRussland einmal Offiziere in der Ochranka , der Geheimpolizei des Zaren, gewesen waren. Sozusagen Kollegen also. Waren sie deswegen auch aus dem Polizeigewahrsam freigekommen?
    Rath schaute verärgert auf die Vernehmungsprotokolle. Er hätte die Russen gerne selber durch den Wolf gedreht, dabei wäre
     mit Sicherheit mehr herausgekommen. Doch das hatte Zörgiebel nicht zugelassen, der Fall war wieder bei Böhm, und damit basta!
    Um Jänickes Mörder kümmerte sich jetzt Gennat persönlich. Die Mordkommission Bülowplatz war personell deutlich abgespeckt worden. Wobei abspecken vielleicht nicht der richtige Ausdruck war, wenn der Buddha die
     Ermittlungen leitete. Gennat brachte mindestens drei Zentner auf die Waage.
    So wusste Rath also

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