Der nasse Fisch
Küche, das Speisezimmer und das große Wohnzimmer der
Wolters. Rath ging nach oben, wo auch das Gästezimmer lag, in dem er selbst momentan untergebracht war. Da brauchte er nicht
zu suchen, ebenso wenig im Schlafzimmer der Wolters, obwohl das einen riesigen Kleiderschrank besaß, in dem man bestimmt eine
ganze Menge unterbringen konnte. Aber wo? Rath versuchte sich vorzustellen, er wäre mit Emmi Wolter verheiratet und wolle
etwas vor ihr verstecken.
Bruno hatte ein Arbeitszimmer, das war sein Reich, dort hinein setzte sie keinen Fuß. Selbst wenn sie dort putzen wollte,
fragte sie vorher um Erlaubnis. Auch Rath war nur einmal kurz in diesem Zimmer gewesen, als er vor ein paar Tagen nach Bruno
gesucht hatte. Er hatte nur einen kurzen Blick hineinwerfen können, der Hausherr war sofort vom Schreibtisch aufgestanden,
hatte ihn gleich wieder hinauskomplimentiert und hinunter ins Wohnzimmer geführt. Dort hatten sie es sich dann bei einem Bierchen
gemütlich gemacht. Wie so oft in den letzten Tagen.
Heute würde ihn niemand hinauswerfen.
Auf den ersten Blick sah der Raum aus wie ein ganz normales Arbeitszimmer. Ein Schreibtisch, ein paar Rollschränke, gerahmte
Fotos an den Wänden. Kein Waffenschrank. Rath schaute sich die Fotos an. Auf fast allen waren Uniformen zu sehen. Soldatenuniformen,
Polizeiuniformen. Auf einem Bild glaubte er Generalmajor Seegers zu erkennen, allerdings in der Uniform eines preußischen
Hauptmanns, der einem damals noch ziemlich schlanken Gefreiten Bruno Wolter die Hand schüttelte. Ein weiteres Bild zeigte
Wolter schon mit den Tressen eines Unteroffiziers, stolz in die Kamera schauend, daneben ein weiterer Unteroffizier, den Rath
nicht kannte, er tippte auf Helmut Behnke. Ziemlich am Anfang des Krieges musste ein Bild aufgenommen worden sein, das drei
Gefreite im Schützengraben zeigte, gezeichnet vom Dreck und den Strapazen der Schlacht, aber lächelnd. Wolter und den Mann
vom anderen Bild erkannte Rath sofort, der dritte war Rudi Scheer in jungen Jahren, Wolters Pfingstbesuch. Gleich daneben
musste ein Bild vor kurzem abgehängt worden sein, wie eine unvergilbte rechteckige Stelle an der Tapete verriet.
Er riss seinen Blick von den Bildern los und schaute sich die Schränke an. Typische Rollschränke, wie sie auch in der Burg
zu finden waren. Vielleicht hatte Bruno sie ja genau dort eingesackt. Rath streifte ein Paar Handschuhe über und untersuchte
den ersten Schrank. Abgeschlossen. Auch die übrigen waren verrammelt. Er durchwühlte die Schreibtischschubladen nach einem
Schlüssel. Ordnung herrschte hier nicht gerade, in der obersten flachen Schublade lagen ein paar Münzen, nur wenige Groschen
und ein paar Markstücke, ein Radiergummi, ein paar Stifte, ein Brieföffner. Und überall Büroklammern, die wie Zecken an dem
übrigen Kram in der Schublade hingen. Eine Lade tiefer fand er ein Durcheinander aller möglichen Papiere: Rechnungen, Steuern,
Briefe, Ansichtskarten, ein paar Zeitungen. Die Standarte , Der Stahlhelm . Das Chaos in der unteren Schublade war noch größer. Aller mögliche Krimskrams war in eine hölzerne Kiste gepackt. Rath holte
die Kiste heraus und kippte sie aus. Munitionspäckchen fielen auf das Parkett, Patronen unterschiedlichen Kalibers kullerten hinaus, kleine Anstecker in Stahlhelm-Form, eine Zange, ein kleiner Hammer
und jede Menge anderer Krempel. Die Munition hatte ihn schon hoffen lassen, aber eine Pistole war nicht darunter.
Wie sollte er sie auch finden? Wenn Wolter wirklich Jänickes Mörder war, hatte er die Waffe wahrscheinlich längst entsorgt.
Vielleicht sogar dem ahnungslosen Spitzel Krajewski einfach zurückgegeben? Könnte funktionieren, würde eine passable Geschichte
abgeben: Kriminalassistent Jänicke hatte das letzte fehlende Glied (was für ein passender Begriff, dachte Rath) von Königs
Porno-Bande aufgespürt: Franz Krajewski. Und der hatte den Kleinen aus Angst vor Entdeckung kaltgemacht. Dann musste Wolter
nur noch einen anonymen Hinweis streuen und dem Pornokaiser einen Trupp Uniformierte auf die Bude schicken, damit sie die
Tatwaffe bei ihm fänden. Die Beweislast gegen den armen Krajewski wäre erdrückend. So was könnte man jedem Staatsanwalt verkaufen.
Einen Schlüssel suchte er vergeblich unter all dem Gerümpel. Rath packte langsam alles wieder ein. Auch das kleine schwarze
Buch hätte er fast wieder zurückgelegt, bis ihm klar wurde, was er da in der Hand
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