Der nasse Fisch
mal Tacheles: Welche Rolle spielen Sie in diesem Spiel? Wie viele Leichen gehen auf Ihr Konto?«
Marlow schnippte die Asche von seiner Zigarre.
»Vergaloppieren Sie sich nicht, mein lieber Rath. Wenn wir Tacheles reden sollen, dann sollten Sie damit anfangen. Ich war bislang immer offen und ehrlich zu Ihnen; Sie dagegen wollten mir weismachen, Sie seien hinter dem Sorokin-Gold her. Und das war eine glatte Lüge. Welches Spiel spielen
also Sie ?«
»Ich suche einen Mörder.«
»Dann sollten Sie verdammt nochmal woanders suchen, Herr Kommissar!«
Marlow schlug so plötzlich mit der Faust auf den Tisch, dass Rath zusammenzuckte.
»Als Sie vorhin hier im Venuskeller aufkreuzten, hatte ich gehofft, Sie wären inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Kooperation auch in Ihrem Sinne
wäre. Und jetzt spucken Sie hier wieder große Töne!«
»Sie betonen immer, wie gern Sie mit mir zusammenarbeiten. Und das soll ich Ihnen glauben? Nach unserem letzten Gespräch wollten
Sie mich aus dem Weg räumen lassen!«
»Wie kommen Sie denn auf solch eine absurde Idee? Glauben Sie mir, Herr Kommissar, wenn ich das wirklich gewollt hätte, dann
säßen Sie jetzt nicht hier!«
Marlow wirkte ehrlich empört.
»Und was soll mir die Zusammenarbeit mit Ihnen bringen?«, fragte Rath nach kurzem Nachdenken.
»Na, endlich werden Sie vernünftig!« Marlows Stimme klang wieder so warm und freundlich wie zu Beginn ihres Gesprächs. »Ich
biete Ihnen ein ganz einfaches Geschäft: Ich helfe Ihnen, Ihre Mörder dingfest zu machen, Sie helfen mir, das Gold zu bekommen.«
»Das funktioniert aber nur, wenn auch Sie mir alles erzählen, was Sie wissen. Verraten Sie mir endlich, welche Rolle Sie in
dieser Angelegenheit spielen!«
Marlow lächelte sein Lächeln, das mehr Angst einflößte als Vertrauen.
»Natürlich«, sagte er. »Aber vorab zwei Dinge noch. Erstens: Wenn das Gold auftaucht, überlassen Sie es der Firma Marlow Importe,
ohne dass der Polizeiapparat irgendwelche Schwierigkeiten macht.«
»Wenn Sie mir freie Bahn bei der Verfolgung der Mörder garantieren. Selbst wenn einer aus der Berolina mit von der Partie sein sollte.«
»Wenn Sie wollen, bekommen Sie sogar Unterstützung.«
»So weit wollen wir es mal nicht kommen lassen«, meinte Rath. »Und der zweite Punkt?«
»Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass Sie von dem, was ich Ihnen gesagt habe und jetzt sage, keinen einzigen Satz
vor Gericht verwenden können.«
Rath überlegte nur kurz. »Gut«, sagte er dann. »Und wer fängt an?«
»Ich habe Ihnen schon so viel erzählt, mein lieber Kommissar, jetzt sind Sie an der Reihe.«
Rath holte eine Zigarette aus der Schachtel, bevor er begann, und zündete sie an.
»Wissen Sie, dass einer Ihrer Leute für die Polizei arbeitet?«, sagte er und wedelte das Streichholz aus. »Gearbeitet hat?«
Marlow hob überrascht die Augenbrauen. »Ich hoffe, Sie haben auch einen Namen.«
»Josef Wilczek.«
»Der heilige Josef!« Marlow blies eine Rauchwolke über den Tisch. »Ausgerechnet! Ohne mich wäre diese Ratte schon vor zehn
Jahren jämmerlich krepiert.«
»Sie haben ihm mal das Leben gerettet?«
»Ich habe ihm eine Kugel aus seinem verdammten Wanst geholt. Er gehörte zu den Leuten, die auch 1919 das Kriegspielen noch
nicht lassen konnten.«
»Dann sind Sie also wirklich Doktor?«
»Formulieren wir es lieber so: Ich verfüge über einige medizinische Fertigkeiten.«
»Wilczek war damals bei einem Freikorps?«
»So ähnlich, jedenfalls eine bewaffnete Gruppe, die Feldgrau trug und Karabiner.«
»Ein alter Frontsoldat, der es nicht lassen konnte. Das passt ins Bild. Einem alten Kriegskameraden hat Wilczek auch im Präsidium
zugearbeitet. Bruno Wolter, Oberkommissar bei der Sitte.«
»Sieh mal an! Ihr früherer Chef?«
Rath staunte. »Sie sind gut informiert.«
»Normalerweise arbeiten einige Leute bei der Polizei für mich, und nicht umgekehrt. Natürlich habe ich ein paar Nachforschungen
angestellt, nachdem Sie vor zwei Wochen einfach so bei mir hereingeschneit sind.« Marlow gab dem Chinesen einen Wink, und
Liang goss Whisky in zwei Gläser. Rath roch an seinem Glas und nickte anerkennend.
»Aus Schottland«, sagte Marlow. »Besser als der Fusel, den Sebald draußen serviert.« Sein Kopf zeigte auf die Tür, die zum Venuskeller führte. Von dem Lärm in der Kneipe war in diesem Hinterzimmer kaum etwas zu hören. »Also«, sagte er und hob sein Glas, »lassen
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