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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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genauso im Nebel wie alle anderen?«
    »Niemand ist in alles eingeweiht. Wie der Schmuggel funktionieren sollte, wussten nur Kardakow und die Gräfin.«
    »Wenn er gefoltert wurde, hat er das Geheimnis doch bestimmt verraten.«
    »Hat er nicht, weil er auch nur die Hälfte kannte. Allein die Gräfin kannte die Organisation des Schmuggels bis ins kleinste
     Detail. Auch eine Vorsichtsmaßnahme. Das Ganze funktionierte nur im Zusammenspiel.«
    »Schönes Zusammenspiel! Kardakow ist tot. Und wenn es die Sorokina auch dahingerafft hat, dann hat sie ihr Geheimnis mit ins
     Grab genommen.«
    »Nicht wenn die Papiere wieder auftauchen.«
    Die Papiere! Rath musste an seinen Besuch bei Tretschkow denken. Er kannte eines dieser Papiere. Und er wusste, wo es sich
     befand. Doch das sagte er nicht.
    »Welche Papiere?«, fragte er stattdessen.
    »Eine Art Plan. Kardakow und seine Gräfin haben irgendwo Pläne versteckt, die das Geheimnis verraten – zwei dünne Papiere,
     die nur dann Sinn ergeben, wenn man beide übereinanderlegt und gegen das Licht hält.«
    Rath pfiff leise durch die Zähne. »Und wenn es wirklich die Männer vom Schwarzen Hundert waren, die Kardakow gefoltert haben, dann könnten sie sich auch sein Papier unter den Nagel gerissen haben.«
    »Also hat es Fallin!«
    Rath zuckte die Achseln. »Vielleicht. Oder der Mörder von Selenskij.«
    »Ich vermute mal, dass das ein und derselbe ist.«
    Es war weit nach Mitternacht, als Rath in den Spiegel seines Hotelzimmers schaute und den Mann, der ihn dort anblickte, kaum
     erkannte. Er schüttete sich kaltes Wasser ins Gesicht.
    Irgendwann hatte ihn schon am Ostbahnhof die Müdigkeit übermannt. Als sie vom kühlen Bahngelände in Marlows Büro gegangen
     waren, in dem immer noch die Gewitterschwüle hing, und er sich in den bequemen Sessel gesetzt hatte, den er von seinem ersten
     Besuch bereits kannte, hatte er seine Augen kaum noch aufhalten können.
    Und Marlow hatte es bemerkt. Er hatte in seinen Schreibtisch gegriffen und mit einem Papiertütchen gewedelt.
    »Herr Kommissar, bei unserem letzten Treffen haben Sie einen aufgeweckteren Eindruck gemacht. Lag es an dem hier?«
    Rath hatte zunächst irritiert geguckt. Und dann hatte Marlow ihm das Papiertütchen zugeworfen, und er hatte es eingesteckt.
     Genommen hatte er nichts, wenigstens das. Aber, so hatte er gedacht, für die nächsten Tage konnte ein kleiner Wachmacher nicht
     schaden. Er musste noch so viel erledigen, zum Schlafen blieb da nicht viel Zeit.
    Er war nicht mehr lange bei Marlow geblieben, dennoch war es spät geworden. Wenigstens hatte er diesmal noch ein Taxi am Küstriner
     Platz bekommen. Der Taxifahrer hatte ihn angesehen wie eine Erscheinung. Die Lichter im Plaza waren erloschen, der Mann war zu spät gekommen, um den letzten Varietébesucher einzusammeln, und aß gerade eine Stulle, als
     Rath ihn störte.
    Kein Wunder, dass er dich für einen Geist gehalten hat, dachte Rath, als er das kalte Wasser von seinem Spiegelbild abtropfen
     sah. Er rieb sich das Gesicht mit dem Handtuch trocken und legte sich ins Bett. Die Gedanken rasten in seinem Kopf. Wild durcheinander,
     ohne Sinn und Verstand.
    Bruno Wolter und Joseph Wilczek, die unheilige Allianz. Waffenhändler, das konnte Rath sich durchaus vorstellen, bei Brunos
     zahlreichen Kontakten zu alten Kameraden. Ob sie aber auch hinter dem Gold her waren? Wenn ja, dann hatten sie von Anfang
     an keine Chance gehabt, der Sittenbulle und der Schmalspurganove. Auch wenn Wilczek nicht gestorben wäre, hätte Wolter gegen
     diese Konkurrenz aus Geheimdiensten, Berufsverbrechern und politischen Überzeugungstätern niemals Land gesehen. Es sei denn,
     er hatte noch ein paar andere Verbündete, weitere schwarze Schafe in Polizei und Reichswehr. Aber im Rennen nach dem Gold
     hatten derzeit andere die Nase vorn. Nicht die Besitzerin Gräfin Sorokina, nicht die eingeschüchterte Rote Festung, nicht Marlow, der nur ein paar Waggons voller Säure an seinem Güterschuppen stehen hatte, mit denen er nichts anfangen konnte.
     Zwei Männer waren näher an dem Gold als alle anderen. Der eine war ein narbengesichtiger Russe namens Nikita Fallin, der andere
     ein preußischer Kriminalbeamter namens Gereon Rath. Die Gräfin besaß ihr Papier nicht mehr. Selbst wenn sie Fallin in die
     Hände gefallen war, würde das dem Narbengesicht nichts nützen. Rath wusste das, dennoch hatte er Marlow nicht von dessen größter
     Sorge befreit: Die Schwarzhunderter könnten

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