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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Rath ihn zusammenrollte. Das weiße Pulver in dem Briefchen war brockiger, als er das aus
     dem Venuskeller kannte. Er zerkleinerte es mit Hilfe seiner Mauser, bis er glaubte,es sei fein genug für seine Nase, und legte sich eine dünne Linie zurecht. Er wollte nicht zu viel nehmen, er wusste nicht,
     wie Marlow das Zeug dosiert hatte. Dann steckte er das Papierröhrchen in die Nase und sog das weiße Pulver weg wie mit einem
     Staubsauger.
    Wieder die Betäubung, und dann das ersehnte Gefühl: Eben noch ein Wrack mit extremem Schlafmangel, fühlte er jetzt eine ungeheure
     Energie durch seine Adern rasen. Schnell steckte er die Utensilien wieder ein, schüttete sich noch etwas kaltes Wasser ins
     Gesicht und ging durch die Bahnhofshalle zurück zu seinem Auto. Er hätte Bäume ausreißen können, doch ihm war eher danach
     zumute, Bruno Wolter den Kopf abzureißen.
    Zunächst aber gab es etwas anderes zu tun. Immer schön der Reihe nach. Erst einmal fuhr er nach Steglitz.
    Die Ahornstraße war eine nette, bürgerliche Wohngegend. Rath stellte den Opel ab und klingelte. Es dauerte nicht lange, und
     die Tür wurde geöffnet.
    Er musste nicht fragen, ob er richtig war. Der Mann vor ihm trug eine braune Uniform, ein schwarzes Koppel und die Armbinde,
     die in Berlin jetzt immer häufiger zu sehen war: blutrot, darauf ein schwarzes Hakenkreuz in einem weißen Kreis. Ansonsten
     sah er nicht besonders martialisch aus. Eher klein und schmächtig. Wie ein Buchhalter. Er band sich gerade die Krawatte.
    »Sie wünschen?«, fragte er.
    »Heinrich Röllecke?«
    »Jawohl. Was kann ich für Sie tun?«
    In dem Moment hatte Rath eine Eingebung.
    »Ich bin ein Kamerad von Bruno Wolter«, sagte er.
    »Bruno? Warum kommt er denn nicht selbst?«
    »Viel zu tun im Moment. Außerdem muss er vorsichtig sein. Steht immer noch unter Beobachtung.«
    »Die Politische Polizei sollte sich mehr um die Rotfront kümmern, anstatt den eigenen Leuten Schwierigkeiten zu machen … –
     Mist!« Fluchend riss Röllecke den missratenen Krawattenknoten wieder auseinander. »Nun kommen Sie mal zur Sache,Mann! Ich muss gleich los. Versammlung. Der Gauleiter spricht. Dr. Goebbels nimmt kein Blatt vor den Mund, da muss die Sturmabteilung
     pünktlich im Saal sein. Bevor die Roten auch nur auf die Idee kommen, Stunk zu machen. Sie verstehen also. Sonst würde ich
     Sie gerne reinbitten.«
    »Schon gut«, meinte Rath. »Ich denke, wir können es kurz machen. Es geht darum, was am Luisenufer weiter geschehen soll.«
    »Wirklich eine ärgerliche Sache! Ich hab ja gleich gesagt, wir hätten einen Deutschen nehmen sollen. Aber Bruno wollte unbedingt
     diesen Russen. Das haben wir nun davon. Jetzt ist er tot.«
    »So ist wenigstens nur ein Russe gestorben und kein Deutscher!«
    Röllecke lachte. »Da haben Sie nun auch wieder recht! Sie gefallen mir, junger Freund! Solche Männer braucht unser Land!«
    »Der Tod von Selenskij wird jetzt als Mordfall untersucht.«
    »Ja, ließ sich wohl nicht vermeiden. Dumme Panne. Jetzt schnüffelt die Polizei ein bisschen rum. Wird sich aber wieder beruhigen.
     Müssen nur ein wenig abwarten.«
    »Meinen Sie nicht, dass Hermann Schäffner ein Problem werden …«
    »Scharführer Schäffner ist ein verlässlicher Mann. Dass die Polizei jetzt die Wohnung auf den Kopf stellt, war nicht sein
     Fehler. Aber sie wird nichts finden, dafür hat er gesorgt.«
    »Wenn Sie es sagen.«
    »Auf die SA ist Verlass, mein Freund! Wir sind nicht weniger zuverlässig als ihr Stahlhelmer! Nicht Worte zählen, sondern
     Taten! Das sollte sich auch der Stahlhelm mal hinter die Ohren schreiben! Seit Wochen redet Bruno von der neuen Lieferung,
     und nichts geschieht! Meine Leute werden ungeduldig. Ich habe ihnen erst mal ein paar verrostete Karabiner gegeben, die wir
     der Rotfront abgeluchst haben. Der reinste Schrott. Irgendwann brauchen wir vernünftige Waffen.«
    »Natürlich.«
    »Gut, dass Sie das auch so sehen. Richten Sie Leutnant Wolter bitte aus, wenn die Kameradschaft der national gesinnten Kämpfernicht auf eine harte Probe gestellt werden soll, dann sollte er seinen Worten bald Taten folgen lassen!«
    »Das werde ich tun, Herr Sturmhauptführer.«
    »Gut. Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss mich fertig machen. Gleich kommt mein Fahrer.«
    Rath konnte sich nicht mehr verabschieden. Röllecke hatte die Tür schon zugeschlagen.
    Dieser eitle, selbstgerechte Fatzke! Er schüttelte sich, als er wieder im Auto saß. Röllecke hatte

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