Der nasse Fisch
ihm den Stahlhelmkameraden
ohne weiteres abgenommen.
Es war genau so, wie Rath vermutet hatte. Bruno Wolter und seine SA-Freunde hatten Selenskij die Wohnung am Luisenufer verschafft.
Um die Wohnung der Gräfin zu überwachen. Der Oberkommissar mit dem gemütlichen Gesicht war ein Waffenschieber. Ein Waffenschieber,
der über Leichen ging.
Er musste ihn zur Rede stellen. Er wollte es von ihm hören. Die Wahrheit. Oder die Lüge. Bruno würde ihm dabei in die Augen
sehen müssen.
Was er damit bezweckte, konnte er nicht sagen, er wusste nur, er konnte nicht anders. Er musste Wolter zeigen, dass es einen
gab, der ihn und seine dunklen Geschäfte voll und ganz durchschaut hatte.
Rath spürte, wie sein Herz schneller schlug, als er in Friedenau von der Rheinstraße abbog. Noch zwei Kreuzungen.
Der Mann war zu Hause. Die E hatte pünktlich Feierabend gemacht.
Als Rath vor dem Haus hielt, parkte er direkt hinter dem schwarzen Ford. Auf sein Klingeln öffnete niemand. Er probierte es
noch einmal. Während er an der Haustür horchte, wie die Türklingel verhallte, fiel ihm ein rasselndes, schepperndes Geräusch
auf. Rath schaute um die Ecke in den Garten, in dem sie Pfingsten gesessen hatten. Die Gartenmöbel standen auch heute draußen.
Und da stapfte der Onkel durchs Gras. Er trug eine weite Arbeitshose, ein ärmelloses Unterhemd, einen breitkrempigen alten
Hutund schob einen Rasenmäher vor sich her. Feierabendbeschäftigung eines harmlosen Bürgers. Kaum zu glauben, dass dieser Mann
ein kaltblütiger Mörder war. Rath ging hinters Haus.
Bruno sah ihn erst, als er den Rasen erreicht hatte. Er ließ den Spindelmäher stehen und ging ein paar Schritte auf Rath zu.
Die schweißnassen Hände wischte er am Unterhemd trocken.
»Was für eine Überraschung«, sagte er. »Schon Feierabend? Man erzählt sich, die Inspektion A hat in der letzten Zeit viel
zu tun.«
»Das kann man wohl sagen. Gerade eben haben wir einen Mann von einem Steinboden kratzen müssen. Wollte durchs Treppenhaus
fliegen, ist ihm nicht bekommen. Gestern ein toter Russe, heute schon wieder. Diese Leute leben gefährlich! Vielleicht haben
sie sich mit den Falschen angelegt.«
»Vielleicht sind sie einfach nur zu dämlich. Das ist jedenfalls meine Theorie.«
»Ich dachte, du hältst große Stücke auf sie. Auf Selenskij jedenfalls. Sagt Heinrich Röllecke.«
Die Überraschung zeigte sich nur kurz auf Brunos Gesicht, dann hatte er sich wieder im Griff. »Du warst also bei Röllecke?«
»Ja, und der war ziemlich redselig!«
»Sieht ihm gar nicht ähnlich.«
»Du bist jedenfalls mit deiner Lieferung ziemlich hinterher. Das gefällt ihm gar nicht.«
Bruno hatte sich immer noch in der Gewalt, doch Rath merkte, dass die kleinen Stiche und Provokationen angekommen waren.
»Du siehst nicht gerade gesund aus, Gereon. Kannst du mir mal erklären, warum deine Augen so flackern? Du solltest aufpassen,
dass du in der Inspektion A nicht vor die Hunde gehst. Der Dienst dort scheint dir nicht zu bekommen.«
»Wir haben im Moment einfach viel zu tun.«
»Mach doch mal Urlaub.«
»Nicht, solange ein Schweinehund noch frei herumläuft.«
»Na komm, den einen Fall habt ihr doch jetzt endlich gelöst.Vaterländisch gesinnte Russen beseitigen ein paar rote Landsleute. Die Mörder sind tot, alles ist gut. Da könnt ihr doch langsam
mal Ruhe geben und euch auf euren Lorbeeren ausruhen.«
»Von wegen gelöst. Es gibt noch viele offene Fragen. Zu viele.«
»Wen interessiert denn das?«
»Mich zum Beispiel. Nur können die Mörder leider nicht mehr antworten.«
»Dann musst du dir die Antworten wohl selber zusammenreimen.«
»Ich hab mehr Antworten, als du glaubst. Ich verstehe nur eines nicht: Warum haben Fallin und Selenskij ihr Opfer Boris erst
gefoltert und ihn dann in ein geklautes Auto gesetzt und in den Kanal geschickt?«
»Vielleicht haben die beiden einfach Mist gebaut. So was passiert. Erst verreckt ihnen der Kerl, bevor sie etwas Anständiges
aus ihm herausbekommen haben, und dann wollen sie das Ganze vertuschen und starten eine Desinformationskampagne. Eine, die
leider missglückt.«
»Es sollte so aussehen, als habe Boris sich das Gold der Roten Festung unter den Nagel gerissen?«
»Wenn du es sagst«, meinte Wolter achselzuckend. »Hört sich doch ganz plausibel an.«
»Finde ich nicht. Ziemlich unglaubwürdig, wenn jemand mit zermatschten Händen und Füßen in einem Auto gefunden wird, das er
selbst
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