Der nasse Fisch
einfachen Grund«, sagte er. »Ich bin Polizist, damit solche Schweine wie
du nicht ungestraft davonkommen.«
»Strafe haben wir alle verdient. Du bist doch katholisch, da solltest du das wissen.«
»Ich kann zur Beichte gehen.«
»Dann mach das mal.« Wolter grinste höhnisch. »Tu doch nicht so, als hättest du weniger zu beichten als ich!«
»Du solltest nicht so große Töne spucken! Wenn ich will, kann ich dich fertigmachen!«
»Wirklich? Wenn du mit der Wahrheit über dich und Josef Wilczek rausrückst, dann hast du vielleicht etwas gegen mich in der
Hand. Vielleicht. Denn das würde voraussetzen, dass du ein glaubwürdiger Zeuge bist. Und da habe ich so meine Zweifel. Aber
wenn du willst, kannst du es ja drauf ankommen lassen: Erzähl ihnen, was du mit Wilczek gemacht hast! Erzähl ihnen, warum
Kommissar Gereon Rath in den Wilczek-Ermittlungen nicht vorangekommen ist! Mal schauen, was passiert. Ich kann dir nur so
viel versprechen: Ich werde es nicht tun, ich werde dich nicht reinreiten. Frag mich nicht warum. Aus alter Freundschaft vielleicht.«
»Du bist vielleicht ein zynisches Arschloch.«
»Ich bin Polizist. Und Realist. Wenn du ein wenig nachdenkst, dann dürftest auch du zu dem Schluss kommen, dass ich dich mehr
in der Hand habe als du mich. Aber darum geht es mir nicht. Ich will Frieden. Am besten also, wir vergessen die ganze Sache
und tun so, als sei nichts gewesen. Servier Zörgiebel die beiden toten Russen als Mörder, und der ist zufrieden. Warum, wieso,
weshalb – diese Fragen interessieren doch keinen mehr. Du willst noch Karriere bei der Kripo machen, oder? Da solltest du
so etwas können: Dinge einfach vergessen, wenn es angebracht ist, und nicht mehr Fragen stellen als nötig.«
»Erzähl du mir nicht, was angebracht ist!«
Wolter taxierte ihn mit zugekniffenen Augen. »Entschuldige mich bitte. Emmi müsste gleich zurück sein, und bis dahin wollte
ich eigentlich mit dem Rasen fertig sein.« Er setzte seinen Hut wieder auf, drehte sich um und stapfte zurück zu seinem Rasenmäher.
In ohnmächtiger Wut schaute Rath auf den breiten, schweißnassen Rücken. Als er wieder im Auto saß, schlug er mit der flachen
Hand aufs Lenkrad. So fest, dass es wehtat.
Das Schlimmste war, dass Wolter recht hatte: Er konnte nichts tun. Gar nichts. Er fand nicht einmal ein Ventil für seine Wut.
[ Menü ]
32
S ie war gerade dabei, ihre Augenbrauen nachzuzeichnen, als es klingelte. Das konnte er unmöglich schon sein. Oder doch? Wenn
er einer dieser Überpünktlichen war, dann wäre der Abend gelaufen, bevor er überhaupt begonnen hätte.
»Greta, schaust du mal nach?«, rief sie aus der Badezimmertür. »Ist bestimmt für dich!«
Sie erwartete ihn erst in einer knappen Stunde. Zehn Uhr, hatten sie gesagt. Um acht war sie aus dem Präsidium zurückgekehrt.
Ein bisschen Zeit brauchte sie schon, um sich von so einem Scheißtag zu erholen.
Gereon Rath hatte mal wieder eine Leiche gemeldet. Jeden Tag eine neue. Die Mordverdächtigen starben ihm weg wie die Fliegen.
Nur dass diese toten Russen nun tatsächlich als Mörder in Frage kamen. Anders als Kardakow, mit dem er Böhm vorgeführt hatte,
um dann am Ende selbst der Gelackmeierte zu sein. Er hatte ihr fast leidgetan, wie die ganze Burg sich über ihn lustig machte,
weil er Zörgiebel einen Toten als Mörder verkauft hatte. Sie hatte das Mitleid weggeschoben, er hatte den Ärger tausendfach
verdient. So wie er Böhm behandelt hatte. So wie er sie behandelt hatte. Und sie hatte geglaubt, endlich einen Mann gefunden zu haben, mit dem es etwas länger laufen könnte als
eine Woche. Viel länger. Vielleicht ein ganzes Leben. Ja, sie hatte sich in ihn verliebt. Eine unverzeihliche Dummheit. Umso
schlimmer, was er ihr angetan hatte. Dieser Dreckskerl!
Nun hatte er endlich seine Mörder, der liebe Herr Rath. Zweifellos hatten die Russen ihre zwei Landsleute gequält, wahrscheinlich
auch getötet. Auf Nikita Fallins Namen war ein Lagerschuppen auf dem Gelände des Anhalter Güterbahnhofs angemietet. Ein unterkellerter
Schuppen. Und im Keller hatte der ED Blutspuren auf dem Betonboden gefunden, zudem diverse Werkzeuge, einen großen Vorschlaghammer,
an dem ebenfalls Blut klebte. Größere Mengen Heroin waren in einem Reservereifen versteckt. Oben im Lager standen Automobile,
alle gestohlen, einige mit einer neuen Lackierung versehen. Die Russen schienen einen schwunghaften Autohandel betrieben zu
haben, mit
Weitere Kostenlose Bücher