Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
verbieten.
    Kurz nach Dienstbeginn wurden die Kriminalbeamten aller Abteilungen zusammengetrommelt. Polizeipräsident Zörgiebel persönlich
     begrüßte sie im großen Konferenzsaal über dem Hauptportal. Dörrzwiebel hatte sich seit seinen Kölner Zeiten kaum verändert.
     Ein zu Fettleibigkeit neigender ehemaliger Gewerkschaftssekretär, der mit der Leitung der Polizei betraut worden war, weil
     die Sozis an der Macht waren und nun einmal Ämter zu besetzen hatten. Ein Politiker, kein Kriminalist, auch nach all den Jahren
     als Polizeiführer nicht. Es geschah selten, dass sie ihn zu Gesicht bekamen. Normalerweise schickte er seinen Vize zu solchen
     Versammlungen. Dr. Bernhard Weiß war der Fachmann an der Spitze der Berliner Polizei, ein überragender Kriminalist. Zu perfekt,
     um bei den Kollegen beliebt zu sein, aber allseits respektiert. Damit hatte er Zörgiebel einiges voraus. Weiß hatte deutliche
     Bedenken geäußert, das Demonstrationsverbot am ersten Mai aufrechtzuerhalten, doch Zörgiebel hatte es mit aller Gewalt durchsetzen
     wollen. Mit den bekannten Folgen.
    Nachdem der Polizeichef den versammelten Kriminalbeamten für ihren Einsatz »bei den kommunistischen Ausschreitungen« gedankt
     hatte, wechselte er schnell das Thema. Zörgiebel war Politiker, er wusste, dass die Kriminalpolizei sich nicht gerne für Politisches
     einspannen ließ. Um diese Dinge, so die verbreitete Auffassung, sollte sich die Abteilung IA lieber allein kümmern. Und so
     nickten die meisten Kollegen zufrieden, als der Polizeipräsident erklärte, er habe sie aus einem anderen Grund zusammenrufen
     lassen: Der aktuelle ungeklärte Todesfall erfordere die Zusammenarbeit aller, seine baldige Aufklärung sei überaus wichtig,
     um den Berlinern zu zeigen, dass die Polizei weiterhin das Heft in der Hand halte und für eine sichere Stadt sorge. Zörgiebel
     appellierte an das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kriminalpolizei, alle Inspektionen der Abteilung IV seien dazu aufgefordert,
     den Mordermittlern unter die Arme zu greifen. Natürlich solle man darüber die tägliche Arbeit nicht vernachlässigen. »Sie
     kommen doch rum in der Stadt, meine Herren«, endete er, »nutzen Sie Ihre Kontakte!«
    Dann trat Oberkommissar Böhm ans Rednerpult. Rath hätte am liebsten mit Papierkügelchen nach ihm geschossen, wie damals in
     der Schule. Mit nassen Papierkügelchen, versteht sich. Er versuchte, Charlotte Ritter dort oben irgendwo zu entdecken, doch sie war nicht da. Da
     war überhaupt keine Frau, da oben standen nur Männer. Irgendwer in der Inspektion A musste ja noch die Arbeit machen, dachte
     er. Wenn die Herren alle im großen Saal stehen und damit beschäftigt sind, wichtig auszusehen. Buddha Ernst Gennat stand auch
     nicht auf dem Podium. Rath wusste, dass der Chef der Mordinspektion die stille Ermittlungsarbeit solchen lauten Auftritten
     vorzog.
    Und es wurde in der Tat ein lauter Auftritt.
    »Meine Herren«, bellte Böhms Stimme durch den Raum, dass die Kollegen in der ersten Reihe zusammenzuckten, »ich darf mich
     für Ihr zahlreiches Erscheinen bedanken. Wir ermitteln zurzeit noch in alle Richtungen. Unser größtes Problem ist, dass der
     Tote noch nicht identifiziert ist. Vordringlichste Aufgabe ist es, die Identität des toten Mannes festzustellen, den wir im
     Landwehrkanal gefunden haben.«
    Der Oberkommissar hielt ein Foto in die Höhe. Das aus den Zeitungen.
    »Dieses Bild wurde am Wochenende in allen großen Berliner Tageszeitungen veröffentlicht. Wir haben einige Rückläufe aus dem
     Berliner Publikum, leider keine verwertbaren. Bislang haben sich nur die üblichen Wichtigtuer und Denunzianten gemeldet. Kein
     Mensch scheint diesen Mann zu kennen. Oder kennen zu wollen. Wir halten es inzwischen für möglich, dass er gar nicht aus Berlin
     kommt. Dass er einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel, steht außer Frage. Seine schweren Verletzungen können nichtvon dem Autounfall stammen. Lassen Sie mich zum Ergebnis der Obduktion kommen …«
    Das meiste von dem, was der Mordermittler runterbetete, hatte Rath schon im Leichenschauhaus gehört. Viel Neues hatten sie
     übers Wochenende nicht herausbekommen. Noch während Böhm die bisherigen mageren Ermittlungsergebnisse darlegte, gingen zwei
     Kriminalassistenten herum und verteilten Fotos. Die gleichen, die in den Zeitungen zu sehen waren. Doch die Abzüge hier waren
     um einiges schärfer als der schlechte Zeitungsdruck. Rath konnte jetzt sehen, dass dem Russen

Weitere Kostenlose Bücher