Der nasse Fisch
dass du ein guter Polizist bist. Und meine Einschätzung
wird sich auch in deiner Personalakte wiederfinden.« Wolter machte eine kurze Pause, bevor er den nächsten Satz aussprach.
»Oder willst du einer süßen kleinen Stenotypistin imponieren? Dann kann ich dir natürlich nicht weiterhelfen.«
Das saß. Wie ein Schlag in die Magengrube. Rath musste innerlich nach Luft schnappen. Warum wollte Bruno ihn verletzen? Weil
er selbst verletzt war? Weil er spürte, dass es einen Kollegen, den er binnen kurzer Zeit schätzen gelernt hatte, auf die
andere Seite der Glastür zog? Wahrscheinlich hatte er das schon zu oft erlebt.
»Sieh den Tatsachen ins Auge, Bruno«, sagte er und versuchte, trotz der bösen Bemerkung ruhig und sachlich zu bleiben. »Wenn
ich bei einer Mordermittlung helfen kann, dann werde ich das tun. Du kannst von mir nicht verlangen, den Anordnungen des Polizeipräsidenten
zuwiderzuhandeln.«
»Ich verlange nur von dir, dass du deine Arbeitskraft voll und ganz der Inspektion E zur Verfügung stellst. Was meinst du
denn, was es dir einbringt, wenn du Böhm bei seiner dämlichen Leichehilfst? Was meinst du, was er sagt? Du kannst froh sein, wenn du überhaupt ein Danke hörst! Er wird deine Informationen nehmen
und damit den Fall lösen. Und am Ende klopft Dörrzwiebel allein ihm auf die Schulter.«
Wahrscheinlich hatte Bruno recht. Aber Rath hatte ja auch gar nicht vor, Böhm zu helfen. Nicht diesem Arschloch! Er musste
nur aufpassen, dass er Bruno nicht zu sehr auf die Füße trat. »Die Anweisung des Polizeipräsidenten gilt für alle«, sagte
er.
Er machte es schon wie sein eigener Vater. Sich hinter Dienstvorschriften verstecken, wenn man nichts von sich preisgeben
will.
»Nicht so förmlich, mein Junge!« Der Onkel klang wieder versöhnlicher. »Solange du vollen Einsatz für unsere Arbeit zeigst,
kannst du tun und lassen, was du willst. Aber vergiss nicht, für wen du arbeitest. Solltest du die Buchstaben E und A zu häufig
verwechseln, werde ich meinen breiten Rücken nicht unbedingt zwischen dich und Lanke stellen, falls es Ärger gibt, das solltest
du wissen.«
»Hast du irgendeinen Grund, dich zu beschweren? Wir werden einen Haufen illegaler Nachtlokale ausheben, das ist doch was,
oder? Und mit Lanke werde ich schon alleine fertig.«
Wolter lachte. »Mit Lanke? Schön wär’s! Mit dem sollte sich keiner von uns ohne Schützenhilfe anlegen. Der ist gefährlicher
als ein Zuhälter, dem man das Auto zerkratzt hat.« Der Onkel reichte ihm die Hand. »Komm, Schwamm drüber. Vergessen wir die
Sache. Ich bin im Moment ein bisschen überarbeitet. Wir sollten nicht streiten.«
Rath zögerte einen Moment und schlug ein. Die Zornesfalten in Wolters Gesicht waren so schnell verschwunden, wie sie gekommen
waren.
»Eigentlich hatte ich nämlich vor, dich einzuladen«, fuhr der Onkel fort. »Übermorgen habe ich ein paar Freunde zu Gast bei
mir zu Hause. Wäre schön, wenn du dabei wärst.«
Mittwochabend! Der Abend vor Himmelfahrt. Der Abend, den er für Charlotte reserviert hatte! Doch damit konnte er Brunojetzt nicht kommen. Die Einladung war ein Versöhnungsangebot, er musste es annehmen. Und er wollte es annehmen. Bruno hatte
ihn als Freund bezeichnet. Er brauchte Freunde in dieser Stadt.
»Mittwochabend?« Er würde Charlotte absagen. »Wenn ich dann keine Überstunden machen muss, geht die Sache klar. Ich habe einen
strengen Chef.«
»Mittwoch gibt es keine Überstunden. Die machen wir heute. Und was wir bis Mittwoch nicht schaffen, das arbeiten wir am Feiertag
ab!« Bruno grinste. Ein Lächeln brachte der Mann einfach nicht zustande.
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13
A ls er auf den kleinen Vorplatz vor dem Bahnhof Friedenau trat, war es bereits dunkel, doch die Straßen in dieser Gegend waren
gut beleuchtet. Gleich ein anderes Gefühl als am Schlesischen Bahnhof. Er musste an seinen Besuch im Plaza denken. Einmal würde er es wohl noch versuchen. Er hatte noch einmal mit Gloria gesprochen, gestern Abend, bevor er nach
Hause gefahren und todmüde ins Bett gefallen war. Sie hatte ihn nicht geleimt, da war er sich jetzt sicher. »Wenn er mit dir
sprechen will, dann wird er mit dir sprechen«, hatte sie gesagt, fast ein wenig beleidigt, dass er ihr misstraut hatte. »Wenn
nicht, dann kannst du nichts machen.«
Spät war es geworden, die letzten beiden Tage. Bruno hatte sie nicht geschont, nicht nur Montag hatte er sie Überstunden prügeln
lassen, auch
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