Der Nautilus-Plan
versehentlich sein Auto beschädigt, als er bereits am Weggehen war. Und bis ich dann geparkt hatte und ihn darauf aufmerksam machen wollte, war er bereits verschwunden. Eine Nachricht wollte ich ihm deshalb nicht hinterlassen, weil ich an sich gehofft hatte, wir könnten das intern regeln, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Absolut.« Ihr Ton war verständnisvoll, die ideale Reaktion, wenn man alles leugnen wollte. »Ich würde Ihnen gern helfen, aber leider habe ich den Mann nicht gesehen. Sind Sie sicher, dass er in diese Richtung ging?«
Simon schlich den Flur hinunter, bis er in den Laden sehen konnte. Einen Augenblick stockte ihm der Atem. Es war Terrill Leamings Mörder, derselbe Mann, der sich später im Château des Baron de Darmond unter den Bäumen herumgetrieben hatte. Er trug denselben Anzug wie am Vormittag und machte mit seinem länglichen Gesicht, den ausdruckslosen grauen Augen und dem halblangen Haar einen seriösen Eindruck. Trotz seines korrekten Auftretens haftete ihm jedoch auch etwas Bedrohliches an, so, als käme die Macht, über die er verfügte, andere teuer zu stehen.
Während Jackie ihren ganzen Charme spielen ließ und für Simon keinen Zweifel daran ließ, dass sie den Kerl dank ihrer langjährigen Geheimdiensterfahrung rasch loswerden würde, kehrte Simon in ihre Werkstatt zurück, legte für die Abzüge etwas Geld auf den Tisch und huschte durch die Hintertür in die Nacht hinaus. In Gedanken bereits in Belleville, konnte er es kaum erwarten, Sarah zu sehen.
Gino Malko war extrem korrekt, penibel nicht nur in Fragen seines Äußeren, sondern auch in seinen Gewohnheiten. Aufgrund des GPS-Senders, den er an dem Peugeot hatte anbringen lassen, wusste er, dass der Mann vor kurzem im Marais angehalten hatte, ein Umstand, der für sich allein genommen bereits interessant war. Und er verschaffte Malko einen Vorteil. Auf seiner Computerkarte hatte er Kreise mit 500 Metern Durchmesser um die zwei Parkplätze gezogen. Rein statistisch gesehen, lag das Ziel des Mannes aller Wahrscheinlichkeit nach in dem Bereich, wo sich die beiden Kreise überschnitten.
Es war spät, und die meisten Läden waren schon geschlossen. Trotzdem ging er von Tür zu Tür und stellte unter irgendwelchen Vorwänden seine Fragen. Nachdem er das Fotogeschäft verlassen hatte, ging er in den Friseursalon zwei Türen weiter. Er zeigte dem Friseur das Foto, und zu seiner stillen Genugtuung konnte sich dieser an den Mann erinnern. Malko betrachtete diesen Erfolg nicht als Glückstreffer. An so etwas wie Glück- oder Pech – glaubte er nicht. Er glaubte nur an absolute Gründlichkeit und Präzision, und deswegen war er seinen Konkurrenten immer einen Schritt voraus.
»Certainement.« Der Friseur strich seine weiße Schürze glatt, bevor er auf Französisch fortfuhr: »Ich habe ihn erst vor kurzem gesehen – vor zwei, nein, eher drei Stunden. Er ging in Madame Pahnkes Laden. Kennen Sie Madame Pahnke? Ah, wie ich sehe, ja. Eine reizende Frau, eine Nachbarin, wie man sie sich besser nicht wünschen kann. Aber der Mann muss längst wieder gegangen sein. Wer bleibt außer dem Besitzer oder den Angestellten schon stundenlang in einem Fotogeschäft? Rein, raus, rein, raus – das sind die Kunden, die kleine Geschäfte wie uns am Leben halten.«
Malko stutzte. Diese Frau – Madame Pahnke – hatte sehr überzeugend gelogen. Sie deckte den Mann, aber warum? »Das ist hier eine sehr gute Geschäftslage. Haben Sie den Laden schon lange?«
» Oui. Seit mein Vater den Salon 1959 eröffnet hat – als er noch jung war und General de Gaulle Präsident. Das waren noch Zeiten.«
Malko nickte. »Und Madame Pahnke? Ist sie auch schon lange hier?«
» Non, non. Erst fünf Jahre.«
»Und? Ist sie bei den anderen hier gut gelitten? Ich meine, wie es scheint, offensichtlich ja. Aber da ist etwas …« In der Hoffnung, der Friseur würde auf den Köder anbeißen, wartete Malko. Wenige Menschen konnten einen provokativen Satz wie diesen einfach so stehen lassen.
Prompt beugte sich der Friseur verschwörerisch vor. »Nachts gehen manchmal eigenartige Leute bei ihr aus und ein. Ein bisschen merkwürdig, finden Sie nicht?«
»Wahrscheinlich ist sie nicht sehr gesprächig, oder? Erzählt nicht viel über sich oder ihren Laden?«
»So könnte man es durchaus sagen, ja. Sehr zurückhaltend.«
Malko bedankte sich und ging. Vor dem Salon warfen hohe Straßenlaternen Trichter aus Licht auf den Bürgersteig. Reifen rauschten über das
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