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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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Begeisterung genannt hatten. Sie fuhren damals immer von der Victoria Station nach Newhaven, wo sie die Fähre nach Dieppe nahmen, und stiegen in Paris im Ritz oder Bristol ab.
    Abendessen gingen sie mit Vorliebe im Crillon, an dessen eleganter Bar Diplomaten aus dem nahe gelegenen Botschaftsviertel reihenweise Dritte-Welt-Länder verschacherten, und hinterher ging es zu ein paar späten Drinks noch in Privatwohnungen und versteckte Bistros, in denen Staatsaffären eine wesentlich wichtigere Rolle spielten als Herzensaffären. Er schwamm in der Piscine Deligny in der Seine, wurde in einem Jazzkeller in St-Germain von ausgebufften älteren Jungen, die glaubten, von seinem großzügigeren Taschengeld profitieren zu können, in die Vorzüge von Kronenbourg-Bier eingeweiht und zog bei Tagesanbruch allein zum Place de Clichy weiter, wo Paris nie schlief – während die Straßenkehrer bereits die Straßen fegten, wimmelte es in den Cafés noch von Kaffee trinkenden Nachtschwärmern.
    Bis er zwanzig wurde, war das alles anders geworden: Seine Eltern hatten sich scheiden lassen. Seine Tante war an ihrer Alkoholsucht gestorben – ihre Leber hatte ihr einfach den Dienst versagt. Er stand kurz vor dem Abschluss seines Studiums in Cambridge, und er hatte »eine Zukunft«. Da war keine Zeit mehr, um nachts schwimmen zu gehen oder dem Lockruf des Jazz zu folgen. Sir Anthony neigte keineswegs zur Nostalgie, aber an diesem Abend lastete die Welt genauso schwer auf ihm wie damals. So sentimentalen Gedanken über Paris hatte er schon lange nicht mehr nachgehangen.
    Als der Jet nach der Landung ausrollte, lehnte er sich zurück. Die Angelegenheit mit den Aufzeichnungen des Carnivore war ziemlich kompliziert. Aber egal, wie unerfreulich die Sache auch war, er würde sie erfolgreich zum Abschluss bringen.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen, Sir?« Sein Diener Beebee erschien neben ihm. Eigentlich hieß Beebee Horace Bedell, aber Sir Anthonys ältester Sohn Thomas hatte den Namen nicht richtig aussprechen können, als er noch klein war.
    »Ein Brandy wäre schön. Den Cordon Bleu, würde ich sagen. Zwei Gläser, ja?«
    »Sehr gern, Sir.« Die Stimme wurde leiser. Schritte entfernten sich. Wenig später kam Beebee zurück. Ein Cognacschwenker berührte Sir Anthonys Handrücken. »Zum Wohl, Sir.«
    Sir Anthony ergriff das Glas am Fuß. Er nippte daran, schmeckte den milden Cognac, der wärmend seine Kehle hinunterfloss. Das andere Glas stellte Beebee auf den Klapptisch, der an dem gepolsterten Sitz auf der anderen Seite des Mittelgangs angebracht war, und kehrte an die Bar zurück, wo er sich wieder daranmachte, die längst polierten Gläser noch einmal zu polieren.
    Als die starken Rolls-Royce-Triebwerke des Jet verstummten, ging die Tür auf. Sir Anthony hörte die forschen Schritte seines Gasts die Gangway heraufkommen. Er musste vielleicht eine schwere Entscheidung treffen, aber er versagte sich jede Form von Rührseligkeit.
    Er erhob sich, strich mit den Händen über seine Anzugjacke und rückte seine Krawatte zurecht.
    Helios betrat den Jet, und Sir Anthony ging ihm entgegen. Sie schüttelten sich die Hände.
    »Schön, Sie zu sehen«, begrüßte ihn Sir Anthony. »Wie gingen in Paris die Geschäfte?«
    »Es geht so. Wie war Ihr Flug von Brüssel?«
    Helios – Nicholas Inglethorpe – war groß und schlank, mit energischem Kinn und scharfer Nase, das grau melierte goldblonde Haar streng nach hinten frisiert. In seinem Armani-Anzug strahlte der Medienzar Charme und Intelligenz aus. Sir Anthony kannte ihn schon seit zwanzig Jahren. Damals war er noch ein legerer junger Heißsporn in Jeans und Pullover gewesen, der im amerikanischen Süden Radiostationen aufkaufte und auf diese Weise den Grundstock zu seinem künftigen Medienimperium legte. Inzwischen war er der Besitzer von InterDirections, trug Designer-Anzüge und ließ sich in seinem Büro hoch über dem Wilshire Boulevard von Los Angeles von »Künstlern« die Nägel maniküren und die Haare schneiden.
    Dennoch hatten mit den Jahren die Schärfe in seinem Blick und die Gier in seinem Gesicht noch zugenommen. Vom Erfolg besessen, hatte er ein Milliardenvermögen angehäuft, und wenn er auch die Annehmlichkeiten des Reichtums zu schätzen gelernt hatte, war er im Innersten seines Herzens immer noch der alte Freibeuter und somit nicht hundertprozentig zuverlässig. Und genau das war der Grund, weshalb Sir Anthony ihn jetzt brauchte.
    »Der Flug verlief ohne Probleme«,

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