Der Nautilus-Plan
keine andere Wahl, als ihn anzurufen. Sonst gibt es niemanden, der in Frage käme. Er hat am Gare du Nord einen Peugeot gemietet. Mithilfe des Peugeot spüren wir sie auf. Und ich hätte noch eine Idee.«
»Ja, was?«
»Als Sansborough Macs Leiche in ihrem Schrank fand, rief sie ihren CIA-Kontakt an und bat ihn um Hilfe. Das können wir uns ebenfalls zunutze machen.«
Je länger sich Sir Anthony die Vorschläge seines Sicherheitschefs beifällig nickend anhörte, desto mehr war er wieder bereit, ihm zu verzeihen. Das war wieder einmal typisch Duchesne – sowohl unmöglich als auch genial. Von irgendetwas wurde dieser Mann getrieben, von etwas sehr Persönlichem. Sir Anthony vermutete, Duchesne hatte noch eine Rechnung mit dem Carnivore zu begleichen. Vielleicht enthielten die Aufzeichnungen seinen Namen oder den einer Person, an der ihm viel lag. Sir Anthony hatte Duchesne mehrere Male danach gefragt, ohne etwas aus ihm herauszubekommen.
»Gute Idee, Duchesne. Sie haben natürlich Recht. Wenn sie ihren Kontakt bereits einmal angerufen hat, wird sie das sicher auch ein zweites Mal tun. Und wir können uns auch des MI6 bedienen.«
»Wir werden sie wiederfinden«, versprach der Sicherheitschef. »Wir werden sie beschützen. Und sie wird uns zu den Aufzeichnungen führen. Die Aufzeichnungen müssen gefunden werden. Unser Plan ist gut. Bis ins Kleinste durchdacht.«
» Ihr Plan, Duchesne. Und Sie haben Recht – es besteht kein Anlass, davon abzuweichen.«
SECHSUNDZWANZIG
In dem Fotostudio unweit vom Place des Vosges krümmte Simon seinen steifen Rücken. Er hatte lange über den Fotos von Baron de Darmonds Unterlagen gesessen, hatte gelesen und kompiliert und versucht, eine Verbindung zwischen den unzähligen Kreditanträgen und dem Mörder des Barons herzustellen. Er ließ den Kopf hin und her rollen und reckte sich. Sobald er sich nicht mehr auf seine Tätigkeit konzentrierte, begannen seine Gedanken mit wachsender Besorgnis um Sarah zu kreisen. Doch immer wieder hielt er sich unnachsichtig vor Augen, dass er nichts für sie tun konnte. Er durfte sich jetzt auf keinen Fall ablenken lassen.
Sieben Unternehmen hatten bei der Darmond Bank AG einen Kreditantrag gestellt, ausnahmslos internationale Großkonzerne:
Temple Eire Group
Eisner-Moulton
KonDra Poland
Gilmartin Enterprises
InterDirections Britain
FabriMaire Systems
Trochus Pharmaceuticals
Vermutlich befand sich der Mörder des Barons entweder in einer Position, in der er im Auftrag seines Unternehmens Verhandlungen führen konnte, oder für ihn stand so viel auf dem Spiel, dass er bereit war, sich mit dem Hut in der erpresserischen Hand direkt an den Bankiersbaron zu wenden. Temple Eire war ein Software-Entwickler und -Hersteller. Eisner-Moulton baute Autos und Lkws. KonDra Poland war ein Schifffahrtsunternehmen. Gilmartin war in den Bereichen Maschinenbau und Rüstung tätig. InterDirections war ein Medienkonzern. FabriMaire war auf Haushaltswaren und Lebensmittel spezialisiert. Und Trochus Pharmaceuticals entwickelte und produzierte Medikamente.
Simon hatte nicht nur die Namen all jener vermerkt, die die Darlehensverträge unterzeichnet hatten, sondern auch alle anderen Unternehmensvertreter und Vorstandsmitglieder, auf die er gestoßen war. Außerdem hatte er sich die Namen der Verfasser dreier persönlicher Briefe notiert, in denen um einen Kredit ersucht wurde. Das war ein weiterer Bestandteil der Spionagetätigkeit, von der die Öffentlichkeit nie etwas erfuhr – das ermüdende, detaillierte Sichten von Daten. Von Seite zu Seite blättern, Namen notieren, Fakten gegeneinander abwägen.
In diesem Moment begann sein Handy zu läuten. Argwöhnisch sah er es an. Sarah? Endlich? Ohne sich falschen Hoffnungen hinzugeben, nahm er das Gespräch entgegen. »Ja?«
»Wo steckst du die ganze Zeit?«
Sie war es. Die vertraute melodische Stimme, allerdings etwas außer Atem, als wäre sie gerannt. Simon fiel ein Stein vom Herzen. Es war fast zehn Stunden her, dass sie sich am Gare du Nord voneinander verabschiedet hatten. Er wollte schon seinen Frust hinausstöhnen, konnte sich aber gerade noch beherrschen.
»Sehr witzig«, brummte er. »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, Sarah! Du hast mir einen Mordsschrecken eingejagt. Gott sei Dank rufst du an. Alles okay bei dir?«
Trotz ihrer Schmerzen und ihrer Erschöpfung musste Liz lächeln. »Ich finde es auch schön, deine Stimme wieder zu hören.« Sie war sogar überrascht, wie schön
Weitere Kostenlose Bücher