Der Nautilus-Plan

was ich allerdings unter bestimmten Umständen sogar für einen Vorzug halten würde. Gerät gelegentlich in Schwierigkeiten. Und bringt den Chef immer wieder an den Rand eines Herzinfarkts. Aber der Bursche hat einiges Potential. Aber das weißt du ja bereits. Ein Freund der Familie?«
    Brookshire ging nicht darauf ein. »Childs kommt seinen Anweisungen nicht mehr nach und hat sich selbsttätig mit einer ehemaligen CIA-Agentin zusammengetan, Elizabeth Sansborough.«
    Potter runzelte die Stirn. »Wie kommt es, dass ich davon nichts weiß?« Er nahm sich vor, mit Childs’ direktem Vorgesetzten zu sprechen.
    »Der Junge verwischt seine Spuren verdammt geschickt. Wir sind zufällig in einem anderen Zusammenhang über ihn gestolpert. Bestenfalls weist es auf schlechtes Urteilsvermögen hin. Schlimmstenfalls …«
    Potter dachte kurz nach. »Sansborough? Ach ja, die Tochter des Carnivore. Ich habe gehört, sie ist schon vor Jahren aufs Altenteil gesetzt worden.«
    »Inzwischen aber eindeutig wieder im Geschäft, anscheinend aus eigenem Antrieb.«
    »Ist sie jetzt ein Profi, wie ihr Vater?«
    »Könnte sein.« Brookshire seufzte. »Wie du dich vielleicht erinnerst, ist Childs ihr Cousin. Wir möchten, dass du ihn aussonderst und für isoliert erklärst. Wir hoffen, er steht das unbeschadet durch. Aber wenn nicht, wollen wir nicht, dass irgendetwas auf die Regierung zurückfällt.«
    Potter sagte nichts. Es war das »wir«, das ihn beschäftigte … wir möchten … wir hoffen … wir wollen nicht. Bezog sich Brookshire damit auf den innersten Regierungskreis oder auf Nautilus, den einflussreichsten Geheimclub der Mächtigen dieser Welt, zu dem auch Brookshire gehörte, soweit Potter wusste? Viele weitreichende politische Umwälzungen seit Ende des Zweiten Weltkriegs waren von der Nautilus-Gruppe initiiert worden. Über diese Machenschaften wusste Potter natürlich Bescheid, auch wenn er selbst nie in diese Gruppe aufgenommen würde. Dazu hatte er weder die erforderliche Macht noch den nötigen Teamgeist.
    Er fragte Brookshire unverblümt: »Woher soll ich wissen, dass das stimmt?«
    »Weil ich dich nie ohne triftigen Grund um etwas bitte. Weil wir uns schon zu lang kennen und zu viel durchgemacht haben, um etwas anderes als absolut ehrlich zueinander zu sein, ganz besonders jetzt, wo sich unsere Karrieren dem Ende zuneigen. Hier geht es um das Wohl des Landes, Shelby, mein Freund. Ich habe dich nie um einen persönlichen Gefallen gebeten, und damit werde ich auch jetzt nicht mehr anfangen. Liz Sansborough ist Kopf voran von der Spitze des Big Ben gesprungen, und es sieht immer mehr danach aus, als würde sie unseren Jungen mit sich ins Verderben reißen. Wir wollen Childs nicht eliminieren, aber wir müssen sicher gehen, dass er uns nicht schadet. Wenn es später zu Sanktionen kommt, meinetwegen. Aber lass ihn uns vorher für tabu erklären. Er darf keinerlei Hilfe erhalten. Jede Einmischung gefährdet sein Leben und, was wesentlich wichtiger ist, den Geheimdienst.«
    »Und das ist die Wahrheit?« Allerdings war Potter klar, dass das im Grunde keine Rolle spielte. Irgendjemand in Whitehall, wesentlich weiter oben als er, wollte, dass Simon Childs eine Auszeit nahm. Das war letzten Endes alles, was zählte.
    »Jetzt, wo du den Sachverhalt kennst, kannst du es ja selbst verifizieren.«
    »Oh, das werde ich, Tony. Aber ich bin sicher, es wird sich alles bestätigen, und ich werde alles Nötige veranlassen.«
    »Etwas anderes habe ich auch nie erwartet, Alter.«
    »Und Tony? Ich werde den Orden wohl annehmen, trotz allen Genörgles. Vielleicht heirate ich Janice sogar, wenn sie mich jetzt noch haben will. Aus der eisigen Kälte kommen, wie es so schön heißt, hm?«
    »Finde ich großartig, Shelby, wirklich. Nach der Feier müssen wir zusammen essen gehen. Zu viert. Wir hören voneinander.«
    Allein in seinem Büro, hätte Potter fast laut losgelacht. Wenn Tony sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es gnadenlos durch. Deshalb würde Tony auch dafür sorgen, dass es zu diesem gemeinsamen Abendessen kam, und er würde sich aufrichtig freuen, wenn Potter den Orden annahm. Tony würde auch Janice gut zureden und ihr zur Heirat raten. Leute wie Tony wollten immer, dass alle dasselbe Spiel spielten und es vor allem auch auf dieselbe Art spielten – auf seine.
    Potter seufzte. Egal, was der wahre Grund dafür war, Simon Childs würde isoliert werden. Der Junge würde überleben, und das Ganze würde ihm höchstwahrscheinlich