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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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gemunkelt, dass ihm die Queen demnächst den Royal Victorian Orden verleihen würde. Ein Adelstitel für einen altgedienten Spion, der sein Leben lang nichts anderes getan hatte, als Dummköpfe dafür zu bezahlen, ihr Land zu verraten, und dann die Patrioten umzubringen, die sie daran zu hindern versuchten. Und das nach all den Jahren, in denen er wegen seines losen Mundwerks, seines mangelnden Teamgeists und wegen Janice hartnäckig übergangen worden war.
    Er hatte große Lust gehabt, den Orden abzulehnen. Allerdings würde er Janice sehr stolz machen. Im Vergleich zum Leben einer Agentenfrau war das einer Soldatenfrau geradezu einfach. Wenn er das blöde Stück Blech annahm, würde er sie ins Connaught zum Essen einladen, und sie würden auf ihre dreißig Jahre außerehelichen Glücks anstoßen und der guten, alten Zeiten gedenken, in denen das Außenministerium Spione noch nicht per Zeitungsannonce suchen musste, als handelte es sich um Bäckergesellen.
    Das einzig Gute, was sich aus dieser Zeit gehalten hatte, waren die Überstunden schiebenden Analysten und Planer, denen es wirklich um die Sicherheit Englands ging. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, ging er an beleuchteten Büros und Abteilen vorbei und nickte Mitarbeitern zu, die mit farbigen Ordnern an ihm vorbeihuschten, wobei jede Farbe für eine andere Sicherheitsstufe stand. Es waren tüchtige junge Leute, auch wenn sie ihn ansahen, als wäre er eine Statue im Hyde Park und nicht der knurrige und noch sehr lebendige Direktor der MI6-Einsatzabteilung.
    Nach Betreten seines Büros machte er das Licht an, setzte sich an den Schreibtisch und lehnte sich abwartend zurück. Die Uhr stand auf 10:44. Eine Minute später läutete pünktlich sein Telefon.
    Er nahm ab. »Tony?«
    »Tag, altes Haus. Danke, dass du dir Zeit für einen kleinen Plausch genommen hast.« Sir Anthony Brookshires Stimme hatte dieselbe großspurige, sonore Gemessenheit, die Potter mit langen durchzechten Nächten und hitzigen politischen Diskussionen aus den Zeiten in Verbindung brachte, als sie noch beide in Cambridge studiert hatten.
    »Was willst du, Tony?«
    Brookshire rang sich ein leises Lachen ab. »Immer noch der alte Zyniker. Wie ich höre, darf man dir demnächst gratulieren. Ein Orden. Wohlverdient.«
    »Höchstwahrscheinlich lehne ich ihn ab.«
    »Das würde ich nicht tun, altes Haus«, sagte Sir Anthony. »Wenn sonst schon nichts, hat ihn Janice verdient. Eigentlich könntest du sie nach all den Jahren auch endlich mal heiraten, findest du nicht? Lady Potter. Klingt doch nicht übel? Genau wie Sir Shelby.«
    Potter wurde plötzlich klar, dass Tony Brookshire bei der Ordensverleihung seine Finger im Spiel gehabt hatte. »Teufel noch eins, Tony, das war deine Idee. Du hast da Druck gemacht.«
    »Du bist doch längst überfällig, Shelby. Das ist allen maßgeblich Beteiligten seit langem klar. Nur schade, dass diese Ehrung durch die, wie soll ich sagen, geheime Natur deiner Tätigkeit so lange hinausgezögert wurde. Eigentlich hättest du sie schon vor zehn Jahren bekommen müssen.«
    Potter schnaubte: »Dass ich nicht lache: die geheime Natur meiner Tätigkeit. Mein Lebensstil und meine mangelnde Bereitschaft, mich unterzuordnen, das waren die Gründe, warum C und Ihro Majestät mir diese Ehre versagt haben.« C war das Kürzel für den Chef des MI6 – den Direktor. Potter überkam ein ungewohnter Anflug von Hochachtung. »Also wirklich, Tony, ich bin beeindruckt. Wie hast du das geschafft?«
    Brookshires Stimme bekam einen leicht gereizten Ton. »Ich habe lediglich mit etwas mehr Nachruck auf einige der zahlreichen Beiträge hingewiesen, die du im Lauf der Jahre geleistet hast.«
    Potter grinste still in sich hinein. Im Klartext hieß das: Tony hatte C klar gemacht, dass Potter von zu vielen Leichen im Keller wusste, um erneut übergangen zu werden. Trotz allem war Tony Brookshire der geborene Politiker. Wie hätte er es sonst auch geschafft, ein Leben lang im Dienst der Königin zu bleiben und es dabei so weit zu bringen. Die Welt der englischen Politik war ein einziges Hauen und Stechen, das allerdings normalerweise unter einer derart zivilisierten Oberfläche vonstatten ging, dass der Rest der Welt die Engländer für steif hielt.
    »Also schön, Tony«, brummte Potter, »du hast mich rumgekriegt. Aber jetzt, was gibt’s?«
    »Simon Childs. Infiltrationsagent. Der zweite Sohn des verstorbenen Parlamentariers.«
    »Tüchtiger junger Mann. Etwas ungestüm vielleicht,

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