Der Nautilus-Plan
gnadenlos wie die Stasi selbst, auch wenn er sich nie zu Praktiken wie umfassenden Abhöraktionen, Gehirnwäsche und Erpressung herabließ, wie das die Stasi bei den Bürgern der DDR getan hatte.
Nicht, dachte er bitter, dass er das aus persönlicher Erfahrung hätte bestätigen können.
Er hatte Elsa geliebt, aber es war eine Sünde gewesen, vor der Ehe Geschlechtsverkehr zu haben. Als Herr Klugmann erfuhr, was Walter Jaffa seinem kleinen Liebling »angetan« hatte, zwang er sie zur Abtreibung, obwohl Jaffa ihn angefleht hatte, ihn seine Tochter heiraten zu lassen.
Herr Klugmann war Atheist. Sein Vater war nicht nur ebenfalls Atheist gewesen, sondern auch ein SS-Mann. Nie würde er diesen »verdammten Schweinehund« seine Elsa heiraten lassen. Er wollte Jaffa aus dem Weg haben. Auf Dauer. Zu diesem Zweck ließ er einen Stasispitzel verhaften und ihm Papiere unterschieben, die Jaffa als kommunistischen Agenten diffamierten. Dem Stasi-Mann versprach er die Freiheit, wenn er ihm helfen würde, Jaffa zu ruinieren.
Elsa ließ Jaffa eine Nachricht zukommen, in der sie ihn vor dem Vorhaben ihres Vaters warnte und ihn bat, sie zu retten. Jaffa wusste nicht, was er tun sollte. Zu diesem Zeitpunkt wusste die CIA noch nichts von dem Vorfall. Hätte Langley davon Wind bekommen, hätte dies das Ende seiner Karriere bedeutet, und er wäre trotzdem nicht in der Lage gewesen, das Leben des Kindes zu retten.
Sich mit der cilice , einem mit Stacheln versehenen Riemen, selbst kasteiend, betete Jaffa stundenlang zu Gott, bis er schließlich eine Eingebung hatte. Da er kurz zuvor fast 100000 Dollar geerbt hatte, nahm er über die Vermittlung des legendären Spions Red Jack O’Keefe mit dem Carnivore Kontakt auf, dem besten Auftragskiller der damaligen Zeit. Akzeptierte einen der Carnivore als Klienten, konnte man sicher sein, dass er seinen blutigen Auftrag mit hundertprozentiger Zuverlässigkeit durchführte, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen.
Und prompt kamen Herr Klugmann und der Stasi-Spitzel fünf Tage später auf dem Weg zum Gericht bei einem Verkehrsunfall ums Leben, den die deutsche Polizei auf technisches Versagen auf einem steilen Straßenstück zurückführte. Die Hinterbliebenen waren untröstlich, auch wenn die Witwe rasch über den Verlust hinwegkam und bereits drei Monate später wieder heiratete. Bis dahin waren auch Walter Jaffa und Elsa verheiratet, und Jaffa hatte sich in die Vereinigten Staaten versetzen lassen.
Die Stimme am Telefon sagte: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das in Langley als eine Lappalie abtun wird, ganz zu schweigen von der Reaktion des Generalbundesanwalts und der deutschen Polizei. Egal, ob im Gefängnis oder in Freiheit, Sie werden nicht mehr lange zu leben haben. Wenn einer der Ihren ermordet wird, hat der BND ein ausnehmend gutes Gedächtnis – und einen sehr langen Arm.«
Ohne eiserne Selbstbeherrschung konnte sich bei der CIA niemand lange halten oder es gar zu etwas bringen. Deshalb kam in Jaffas Stimme auch nichts von seinen Befürchtungen zum Ausdruck. »Mit wem spreche ich?«, fragte er vollkommen ungerührt. »Ich weiß nicht, wie Sie auf so etwas kommen, aber ich kann Ihnen versichern …«
»Sparen Sie sich Ihre Drohungen. Ich habe einen Lösungsvorschlag. Sie haben eine ausgeschiedene Agentin namens Elizabeth Sansborough. Ich bin sicher, Sie erinnern sich an den Namen.«
Jaffa fühlte sich, als stünde er am Rand eines tiefen Abgrunds. Der Anrufer wusste tatsächlich Bescheid, denn Liz Sansborough war das einzige Kind des Carnivore. Jaffas Tage in den Diensten der CIA waren gezählt. Seine Arbeit, seine Frau, seine Kinder – alles verloren. Trotz der geradezu sprichwörtlichen Zuverlässigkeit des Carnivore in Sachen Geheimhaltung hatte er damit gerechnet, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Eines Tages würde jemand herausfinden, dass er einen Killer damit beauftragt hatte, den Großvater seiner Kinder umzubringen.
Der Anrufer fuhr fort: »Gehe ich recht in der Annahme, Walter, dass Sie kürzlich von ihr gehört haben?«
Jaffa erinnerte sich an die knappe Meldung, dass sie sich möglicherweise selbst reaktiviert hatte. Aber das war Sache der Einsatzabteilung, nicht der Verwaltung. Trotzdem begann er wieder Hoffnung zu schöpfen. Dieser Dreckskerl wollte ihm einen Handel vorschlagen.
»Ja«, antwortete Jaffa vorsichtig.
»Ihr Vater hat alles schriftlich festgehalten. Bis ins kleinste Detail. In einer dicken Akte. Und da stehen Sie drin,
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