Der Nautilus-Plan
Flores tatsächlich angeschossen wurde. Jedenfalls ist das Letzte, was wir im Augenblick gebrauchen können, dass die CIA herumzuschnüffeln beginnt. Es gibt zu viel, was sie herausfinden könnten. Sind wir uns so weit einig?«
»Sie könnten unseren Plan vereiteln«, sagte Inglethorpe argwöhnisch. »Das, was davon noch übrig ist.«
»Ganz richtig. Zugleich haben wir noch den MI6. Es ist nicht auszuschließen, dass Simon Childs sie auf die Sache aufmerksam gemacht hat. Jedenfalls können wir es uns im Moment nicht leisten, dass sich auch der MI6 noch einmischt. Das sehen Sie doch sicher auch so.«
»Nicht ganz.«
Sir Anthony ließ sich nichts vormachen. »Um den MI6 werde ich mich kümmern. Aber wie wäre es, wenn Sie sich in Langley der Sache annähmen. Nein, Nick, hören Sie mir erst zu. Sie tun den Geheimdienstleuten schon jahrelang den einen oder anderen Gefallen. Wenn sie mal die Tarnung eines Journalisten brauchten – Sie haben sie zur Verfügung gestellt, und ohne Fragen zu stellen. Sie haben ihnen geholfen, ihre Leute im Irak und in Afghanistan, Pakistan und Bosnien einzuschleusen … Wir müssen unbedingt verhindern, dass sie über Sansborough Nachforschungen anstellen. Und zwar sofort. Noch können wir die Dienste aus allem heraushalten, aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Sobald die Maschinerie einmal ins Rollen gerät, ist es zu spät. Das heißt, die Sache duldet keinen Aufschub. Die CIA muss sich total zurückziehen, und Sansborough muss auf sich allein gestellt bleiben, falls sie wieder anruft. Sie muss weiterhin vollkommen selbstständig operieren, ohne irgendwelche Einflussnahme von außen. Werden Sie das veranlassen?«
Zunächst schüttelte Helios den Kopf. Doch als er aufblickte, sah Kronos Unschlüssigkeit in seiner Miene. Das war höchst ungewöhnlich. Kronos zog die Stirn in Falten, und Helios wandte den Blick ab. Doch dann setzte er sich aufrecht hin, und Kronos wusste, er hatte eine Lösung gefunden.
Helios lächelte. »Ist das alles? Mein Gott, Kronos, für einen Texaner ist das doch ein Klacks. Dafür kenne ich genau den richtigen Mann. Seine Identität wird allerdings mein Geheimnis bleiben müssen. Es wird alles zwischen ihm und mir bleiben. Aber betrachten Sie die Sache als erledigt.«
Zwanzig Minuten, nachdem der Privatjet in Gatwick gelandet war, hatte sich Nick Inglethorpe in eine Herrentoilette zurückgezogen und telefonierte mit seinem Handy. »Bist du sicher, es fällt nicht auf uns zurück?«
»Nicht, wenn ich die Sache in die Hand nehme, Nick. Das weißt du doch.«
»Ich wusste, dass du für so etwas der richtige Mann bist. Aber davon braucht Kronos nichts zu wissen, ja?«
»Ganz wie du willst. Wusste der alte Herr irgendetwas Neues über die Aufzeichnungen des Carnivore?«
»Nein. Er baut nur ständig weiter Mist.« Inglethorpe spürte schon seit einiger Zeit, dass seine jüngste Erwerbung in bestimmten Kreisen für Befremden sorgte und er seitdem bei der Schlange und insbesondere bei Kronos mehr und mehr in Ungnade fiel. Deshalb war es ein geschickter Schachzug, Kronos in dem Glauben zu lassen, Medienzar Nicholas Inglethorpe hätte immer noch Einfluss auf die CIA. »Jedenfalls vielen Dank. Dafür bin ich dir was schuldig.«
»Ja, Nick, das bist du.« Die Verbindung wurde unterbrochen.
ACHTUNDZWANZIG
MI6-Zentrale, London
An ihrem Platz hoch über der Themse sah die MI6-Zentrale in Vauxhall Cross im Süden Londons in Shelby Potters Augen eher wie eine verdammte Geburtstagstorte aus als wie ein Ort für das brutale Geschäft des Auslandsnachrichtendiensts. Potter missfielen nicht nur die vielen Winkel und Nischen, er fand den honigfarbenen Beton und das grüne Glas geradezu abscheulich.
Das einzig Gute daran war die abgeschiedene Lage an der Vauxhall Bridge. Potter hatte unauslöschliche Erinnerungen an das unauffällige Londoner Hochhaus, das jahrzehntelang als Hauptquartier gedient hatte und in dem so viele Opfer gebracht und so viele Erfolge erzielt worden waren. Damals war es der neugierigen Öffentlichkeit nur als Verteidigungsministerium bekannt. Aber damals, nur sieben Jahre zuvor, hatte die Regierung ja auch noch die Existenz des MI6 schlichtweg geleugnet. Das hatte sich 2001, als der damalige MI6-Chef, Sir David Spedding, starb, von Grund auf geändert. Sogar die Boulevardpresse berichtete darüber. Genauso gut hätte er irgendein blöder Promi sein können.
Grummelnd und brummelnd stellte Potter seinen Wagen ab und betrat das Gebäude. Es wurde
Weitere Kostenlose Bücher