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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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wanderte ihr Blick zu den zerklüfteten, wolkenverhangenen Gipfeln hinauf. Der Anblick des atemberaubenden Panoramas erfüllte sie mit Wehmut. Normalerweise versetzte sie diese herrliche Aussicht in einen Zustand innerer Ruhe, begleitet von dem Gefühl, dass sich alles zum Besten für sie gewendet hatte. Doch als sie jetzt auf den Rückruf ihres Produzenten wartete, war alles, was sie spürte, bange Ungewissheit.
    Sie trat zurück und wollte gerade an ihren Schreibtisch zurückkehren, als sie ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe sah. Sie hatte ein seltsames Déjà-vu-Erlebnis, als sie in das Panorama, das ihr so viel bedeutete, ihr Gesicht eingeblendet sah. Es vermittelte ihr das Gefühl, nicht dazuzugehören, wieder die Außenseiterin zu sein und immer von draußen nach drinnen schauen zu müssen. Einerseits war sie wegen des Überfalls tief beunruhigt, andererseits ärgerte es sie, dass sie sich nicht so mühelos zur Wehr hatte setzen können, wie ihr das früher möglich gewesen wäre.
    Und nicht zuletzt stellte er ihre neu gewonnene Einstellung zur Gewalt in Frage, zu der sie in den letzten Jahren im Zuge ihrer Forschungstätigkeit gelangt war. Das alles kam in ihrem besorgten Blick zum Ausdruck. Sie betrachtete ihre markanten Gesichtszüge – die hohen Wangenknochen, die weiten Nasenflügel und den schwarzen Leberfleck über ihrem rechten Mundwinkel. Ihre braunen Augen waren wach, aufmerksam und wütend.
    Dann fiel ihr Blick auf ihr Haar. Seine Farbe hatte ihr immer gefallen – ein dunkles Kastanienbraun mit roten Schlaglichtern. Am Morgen war es, gebürstet und glänzend, in Wellen auf ihre Schultern gefallen. Jetzt befand es sich in wilder Unordnung. Sie war zwar wieder in die Bluse und die Hose geschlüpft, die sie am Morgen bei der Vorlesung getragen hatte, aber sie hatte vergessen, ihr Haar zu bürsten. Wenigstens war ihr Gesicht sauber; sie hatte es in der Arztpraxis gewaschen. Selbst in der undeutlichen Spiegelung konnte sie ihre Strandbräune, die dunklen Augen und die Stupsnase erkennen, die einmal unvorteilhaft mit einer Sprungschanze verglichen worden war. Sie hatte einen breiten Mund, und sie rang ihm ein Lächeln ab. Aber ihr war nicht nach lächeln.
    Das Telefon klingelte. Sie riss den Hörer von der Gabel und sank in ihren Schreibtischsessel.
    Es war Shay Babcock, und er ließ ihr keine Zeit, ihm Fragen zu stellen. Er wiederholte die Nachricht, die er ihr wenige Stunden zuvor hinterlassen hatte, und fügte hinzu: »Seitdem hänge ich ständig am Telefon und versuche diese Betonköpfe umzustimmen. Ich weiß, es ist für uns beide ein schwerer Schlag, Mädchen. Auch ich hatte gehofft, mit der Serie einen Volltreffer zu landen.«
    »Wie ist es eigentlich genau dazu gekommen?«
    Darauf trat erst einmal kurzes Schweigen ein, und sie spürte seinen Ärger. Ihr Verhältnis war nie ganz einfach gewesen. Er ließ sich nur sehr ungern Fragen stellen, während sie hartnäckig weiter wissen wollte, warum und wie und wann. Er war so stark an der Serie über den Kalten Krieg interessiert gewesen, dass er sich mit ihr abgefunden hatte, und sie hatte die breite Masse erreichen wollen, was hieß, dass sie einen alten Hasen wie ihn brauchte. Dabei war eine produktive Partnerschaft entstanden, die allerdings bis jetzt nie ernsthaft auf die Probe gestellt worden war.
    Schließlich sagte er: »Das Übliche. Fernsehbosse sind ja nicht gerade für ihren Wagemut bekannt. Andererseits sind ihre Posten natürlich auch etwa so stabil wie Nebel über dem Fluss. Ich habe es von Bruce Fontana erfahren, dem Unterhaltungschef des Senders. Die Entscheidung fiel gestern Abend. Natürlich hat er nur einen Assistenten anrufen lassen, aber erst heute Morgen. Ich bin sofort in Bruces Büro rübergefahren, worauf er mich einfach ein paar Stunden schmoren ließ. Als ich nicht abzog, ließ er mich schließlich vor. Er aß dabei zu Mittag und telefonierte die ganze Zeit. Das übrige Erniedrigungsszenarium. Wenn sie es nicht für nötig befinden, lang genug mit dem Telefonieren Schluss zu machen, um einem zu sagen, man soll sich verziehen, weiß man, dass das Grab bereits geschaufelt, der Sarg hinuntergelassen und man selbst die Leiche ist. Danach bin ich zurück in mein Büro und hab ein bisschen rumtelefoniert – einfach um rauszukriegen, was in seinem Kopf vor sich geht. Hat aber, wie nicht anders zu erwarten, zu nichts geführt.«
    »Wir gehen mit der Serie einfach woanders hin. Zu einem anderen Sender.«
    »Schön wär’s. Wir

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