Der Nautilus-Plan
Klossner.«
»Hat einer der beiden Sie vom Kliff fallen sehen?«, fragte Craine.
» Gesehen hat es niemand – außer dem Mann, der mich hinuntergestoßen hat.«
»Alles, was Sie also wissen, ist, dass Sie sich verletzt haben.«
»Richtig.« Sie wurde lauter. »Warum sollte ich Ihnen da was vormachen?«
»Keine Ahnung, Professor Sansborough. Warum sollte sonst jemand so etwas tun?« Seine gepresste Stimme verriet ihr, dass er seinen Ärger nur noch mit Mühe im Zaum halten konnte. »Wir kriegen ständig solche komischen Anrufe, und nicht nur von Verrückten und Ausgeflippten. Oft rufen auch ganz normale Bürger an. Möglicherweise wollen sie sich ein Alibi verschaffen, weil ein Ehepartner Verdacht zu schöpfen beginnt. Oder sie spekulieren darauf, von einer Versicherung Geld zu kassieren. Damit sage ich nicht, dass das auf Sie zutrifft. Aber selbst wenn Professor Tedesco und Dr. Klossner Ihre Verletzungen bestätigen, heißt das noch keineswegs, dass jemand Sie umzubringen versucht hat.« Er seufzte. »Ich werde das nachprüfen. Das ist alles, was ich für Sie tun kann.«
Ihr Ton war beißend. »Bei diesem Engagement, Detective, bezweifle ich, dass Sie auch nur annähernd alles versuchen werden.«
Nach kurzem Schweigen sagte Craine: »Mal angenommen, der Anruf wegen dieses Überfalls auf Sie ging bei uns ein, und angenommen, jemand hat die Anzeige verschlampt oder ignoriert. Woher soll dieser falsche Deputy Harry Craine gekommen sein? Woher wusste er von Professor Tedescos Anruf oder von dem Überfall oder wo er Sie finden würde?«
Liz’ Hand schloss sich fester um das Telefon. Ja, woher hatte er das gewusst? Sie spürte, wie ihr am ganzen Körper kalt wurde, als sich in ihrem Kopf eine Antwort herauszukristallisieren begann. Sie zwang Beherrschung in ihre Stimme und dankte dem Deputy höflich. Sie legte auf.
Zitternd stützte sie die Stirn in ihre Hände und kämpfte gegen eine Panik an. Vielleicht war jemand aus dem Sheriff’s Department an dem Komplott beteiligt. Oder der Killer war ihr zu Klossners Praxis gefolgt und hatte Kirks Anruf irgendwie abgefangen. Egal wie die Antwort lautete – es lief darauf hinaus, dass eine Organisation dahinter steckte, eine kompetente, erfahrene und effiziente Organisation. Eine Organisation, die sie umbringen wollte.
VIER
Bratislava, Slowakei
Es war kurz nach 21 Uhr, und der heiße Sommerabend war durchdrungen von den schlammigen Gerüchen der Donau. In der Ferne ertönte das einsame Signalhorn eines Lastkahns, der Suchscheinwerfer eines Boots glitt über den schwarzen Himmel. Blase Kusterle stand im Smoking hinter einem Baum auf dem Hviezdoslav-Platz, wo sich unter den Straßenlaternen vor der amerikanischen Botschaft immer mehr Demonstranten versammelten. Er drehte eine nicht angezündete Zigarre zwischen seinen Fingern. Eigentlich wollte er das verdammte Ding endlich rauchen, aber er hatte im Moment Wichtigeres zu tun.
Die Botschaft erstrahlte anlässlich des festlichen Empfangs für den neuen Weltbankpräsidenten Stanford Weaver in hellem Lichterglanz. Blase stellte sich die dezente Musik, die klirrenden Champagnergläser und den hohlen Smalltalk vor, die steife Atmosphäre nur durch den einen oder anderen Betrunkenen belebt, der etwas Wahres oder Beleidigendes oder beides von sich gab.
Auf dem Platz vor der Botschaft sah die Sache ganz anders aus. Es waren wesentlich mehr Demonstranten gekommen als erwartet. Sie hatten sich in einigem Abstand von den Wache stehenden U.S. Marines um das Botschaftsgelände versammelt. Besorgt beobachtete Blase, wie vor der Botschaft plötzlich zusätzliche Aufgebote von Marines mit erhobenen Gewehren auftauchten.
Die Demonstranten wichen jedoch widerstandslos zurück und sahen zu, wie die Verstärkungen ihre Posten einnahmen. Dann traf eine weitere Welle von Demonstranten ein – Männer, Frauen und ein paar ältere Kinder – zu Fuß, auf Fahrrädern und in kleinen Skodas, rostigen Fords und vereinzelten Taxis, die wie verschreckte Kaninchen sofort wieder davonbrausten, sobald ihre Fahrgäste ausgestiegen waren.
Die Neuankömmlinge grüßten Bekannte auf Tschechisch und Slowakisch: »Ahoj!« und »ab Cau!« Auf Deutsch hieß es etwas förmlicher: »Guten Abend.« Nicht einmal ein gelegentliches amerikanisches »What’s happenin, man?« fehlte.
Alle waren leger gekleidet, und viele trugen Rucksäcke, aus denen man gelegentlich Verbandskästen und Plastikflaschen mit Essig stehen sah. Ein schlechtes Zeichen, diese
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