Der Nautilus-Plan
jetzt als Schlafzimmer diente. Die Tür war offen.
Liz blieb entsetzt stehen. »Nein!« Ihre Kehle schnürte sich zusammen, und sie kämpfte gegen ein heftiges Brennen in ihren Augen an.
»Henry!« Simons hastiges Atemholen hörte sich an wie ein Keuchen.
Lord Percy lag inmitten einer Blutlache reglos auf dem Rücken. Sein Gesicht war kreidebleich, seine grauen Augen starrten an die Decke. Clive saß im Schneidersitz neben ihm und murmelte leise vor sich hin. Durch die Glastür fiel trübes Mondlicht auf sie.
Liz und Simon stürzten auf Henrys alten Diener zu. Clive blickte auf. Seine stoppeligen Wangen waren tränenüberströmt. Liz und Simon knieten nieder, und behutsam schloss Clive Henrys Augen. Liz spürte, wie ihr ein stechender Schmerz durchs Herz fuhr. Im selben Moment fielen irgendwo draußen Schüsse, und ein heftiger Kugelhagel, gefolgt von einem Regen aus Glassplittern, schlug durch die Glastür.
Clive wollte sich aufrichten, aber Simon zog ihn sofort wieder nach unten.
»Kopf runter!«, zischte er und drückte ihn flach auf den Boden.
Mehrere Kugeln schlugen in einen Polstersessel. Eine weiße Wolke aus Gänsedaunen stob in die Höhe. Neue Schüsse, diesmal weiter entfernt, krachten in einen anderen Teil des Hauses – den Ostflügel. Dort war auch zu hören, wie eine Tür aufgebrochen wurde.
»Sie kommen ins Haus!« Clive sah sich verzweifelt um und versuchte, sich aufzusetzen, aber Simon hielt ihn fest.
»Sie haben es auf euch abgesehen«, stieß Clive hervor. »Schnell weg! Beeilt euch!«
Liz sträubte sich. »Nein. Wir lassen dich hier nicht allein. Wir –«
»Er ist tot«, drängte Clive mit tränenerstickter Stimme. »Ihr könnt Lord Henry nicht mehr helfen. Und wenn ihr nicht mehr hier seid, lassen sie uns vielleicht in Ruhe!«
Im Ostflügel wurden rasche Schritte hörbar. Clives Gedächtnis mochte vielleicht nicht mehr das beste sein, aber er hatte Recht. Die unerfahrenen Diener mit ihren Jagdgewehren hatten gegen die Angreifer keine Chance. Es waren zu viele – und zu viele Diener, die geschützt werden mussten –, als dass Liz und Simon mehr hätten erreichen können.
Clive wälzte sich zur Seite und setzte sich auf. »Flieht! Sofort. Bitte! Damit wir uns ergeben können!«
Liz und Simon tauschten einen Blick aus. Dann sprangen sie hoch und rannten den Flur hinunter. Gleichzeitig verstummte im Freien plötzlich das Feuer, vermutlich ein Hinweis darauf, dass die Angreifer im Haus waren. Die kurze Feuerpause war Liz und Simons einzige Chance. Sie stürmten an der Freitreppe vorbei in den hinteren Teil des Hauses, als in der Eingangshalle plötzlich laute Rufe ertönten und rasche Schritte hinter ihnen her trampelten.
Sie rannten durch den Hinterausgang ins Freie und zu ihrem Jeep. Liz sprang auf den Fahrersitz. Simon stieg auf der Beifahrerseite ein. Ein kurzes Stottern, und der Motor sprang an.
In dem Moment, in dem die ersten zwei Angreifer aus dem Haus stürmten, ließ Liz die Kupplung kommen, riss den Jeep unter heftigem Schleudern herum und brauste in Richtung Ausfahrt los.
Währenddessen hatte Simon die Uzi aus seiner Sporttasche gezogen. Er lehnte sich aus dem Fenster. Liz warf einen kurzen Blick auf ihn, sah seine finstere Miene. Im Mondlicht glitzerten Schweißperlen auf seiner Stirn.
»Hier kommen sie!«, warnte er mit gepresster Stimme. Die Killer waren gespenstische Schatten, die dem Jeep in vollem Lauf folgten und ihre Waffen hochrissen. »Mindestens ein Dutzend.«
»Zu Fuß?« Mit einem heftigen Adrenalinstoß stieg Liz aufs Gas.
»Bisher schon.«
»Dann fahren wir ihnen einfach davon.«
Aber ihren Kugeln konnten sie nicht einfach davonfahren. Eine Salve krachte in das Heck des Jeep und pfiff an den Seitenfenstern vorbei. Das grässliche Geräusch ging ihr durch Mark und Bein. Simon feuerte ebenfalls eine Salve ab und konnte sich gerade noch rechtzeitig ins Wageninnere zurückziehen, bevor eine Kugel in den Außenspiegel schlug. Er zersprang, und die Splitter stoben prasselnd gegen die Tür.
»Ganz schön knapp.« Simons Stimme war grimmig und atemlos.
»Zu knapp!«
Liz schluckte ihre Angst hinunter, als Simon sich wieder nach draußen lehnte und feuerte. Aber wenigstens ließ der Beschuss durch ihre Verfolger nach.
»Sind wir außer Schussweite?«, fragte sie.
Simon sank wieder auf den Beifahrersitz. »Ja. Ihre Kugeln erreichen uns nicht mehr.« Er blickte über seine Schulter durch das zertrümmerte Rückfenster.
Liz nickte stumm und ging vom Gas. Im
Weitere Kostenlose Bücher