Der Nautilus-Plan
Rückspiegel konnte sie eine dunkel gekleidete Gestalt sehen, die ein Stück vor dem Rest der Angreifer lief. Aus den Bewegungen des Mannes sprachen Wut und Frustration. Liz stockte fast der Atem, als sie zu bemerken glaubte, dass ihr frustrierter Verfolger ein Bein nachzog. Sie riss ihren Blick von der Gestalt los, und konzentrierte sich wieder darauf, den Jeep auf der schmalen dunklen Zufahrt zu halten, die zur Straße führte.
»Siehst du einen hinkenden Mann hinter uns?«, fragte sie besorgt. »Das kaputte Bein müsste das rechte sein.«
»Ja. Er zieht das rechte Bein nach. Hinkte der Mann im Eisner-Moulton-Lagerhaus nicht auch?«
Liz nickte. »Ich glaube, das ist der Mann, der die Jacke mit dem Zettel von Kronos fallen ließ. Leider habe ich ihn damals nicht richtig zu sehen bekommen, aber jetzt will ich das lieber auch nicht riskieren. Siehst du irgendwo ein Auto?«
»Ja! Da kommt gerade eines!« Neben den Angreifern hatte ein Lieferwagen angehalten, und sie sprangen hinein.
Lizs Puls raste, als sie die Lichter ausmachte und in den Tunnel aus Sträuchern und überhängenden Bäumen fuhr. Genauso gut hatten sie in einem Tintenfass sitzen können. Das einzige Licht kam vom Armaturenbrett. Zweige scharrten an den Seiten des Jeeps entlang. Simon hielt sich am Türgriff fest. Die dichte Vegetation fetzte vorbei wie ein langer Pinselstrich schwarzer Farbe. Hinter ihnen bohrten sich Autoscheinwerfer bedrohlich durch die Nacht.
Simon sagte nichts. Seine Anspannung war so deutlich zu spüren wie die von einem Ofen ausstrahlende Hitze. Liz blickte geradeaus nach vorn. Ihre Augen schmerzten von der Anstrengung, in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen. Zum Glück war die Straße schnurgerade – zumindest hatte das Henry immer behauptet. Sie umklammerte das Lenkrad, beugte sich, ohne sich dessen bewusst zu sein, weit nach vorn, hielt angestrengt Ausschau nach … da. Eine Öffnung zwischen den Bäumen! Das schwache Glitzern von Wasser. Der Bach!
Doch bei diesem hohen Tempo … Trotzdem, sie musste es riskieren. Eine andere Wahl hatte sie nicht.
»Festhalten!«
Sie trat auf die Bremse und riss das Lenkrad herum. Die Reifen knallten gegen Felsen, als das Gefährt blindlings über den Straßenrand holperte und nach unten kippte, sodass sie gegen ihre Sicherheitsgurte geschleudert wurden. Liz hielt das Lenkrad fest umklammert, während sie den Jeep selbst seinen Weg finden ließ. Das robuste Gefährt zermalmte junge Bäume unter seinen Rädern und holperte über Steine, aber sie hatte es so weit im Griff, dass es nicht umkippte und sich grob in der gewünschten Richtung weiterbewegte und … da waren die Lichter des Lieferwagens schon wieder und leuchteten zwischen den Bäumen hindurch, als suchte ein Ungeheuer mit Suchscheinwerfern nach ihnen.
»Da?« Simon zeigte auf eine mächtige Rosskastanie.
»Wenn sie nicht gerade die Lichter ausmachen«, sagte Liz und riss das Lenkrad nach rechts, »können sie den Bach von der Zufahrt aus nicht sehen.«
»Außer sie wissen, wo sie suchen müssen.«
»Das wollen wir doch nicht hoffen.«
Liz war sich ihrer Sache jedenfalls keineswegs sicher, als sie bremste und das Lenkrad noch einmal herumriss, sodass der Jeep unter der Kastanie zu stehen kam. Zweige breiteten sich über das Heck und verbargen es. Die Motorhaube stand in einem Winkel von etwa 60 Grad zum Bach. Sie machte den Motor aus.
Es war nicht nur vollkommen still, sondern auch vollkommen dunkel. Simon streckte die Hand aus. Liz ergriff sie. Er legte seine andere Hand auf ihre. Sie hoben die Köpfe und lauschten. Das Brummen des Motors kam näher, die Lichter wurden heller. Sie spähten nach hinten. Liz ertappte sich dabei, dass sie den Atem anhielt. Atme, verdammt noch mal.
Oben auf der Zufahrt brauste ein großer Lieferwagen vorbei. Sein Motor war so stark, dass er gar nicht anders konnte, als sich mit seiner geschmeidigen Kraft schon von weitem anzukündigen. In einem abrupten Doppler-Effekt wurde das Motorengeräusch leiser. Die roten Rücklichter des Wagens wurden rasch kleiner, und vorerst befanden sie sich außer Gefahr.
Liz atmete tief durch. »Hast du gesehen, was für eine Art Auto es war?«
»Nur, dass es ein Lieferwagen war. Viel zu schnell. Aber groß genug für das Dutzend Männer, die hinter uns her waren.« Er beobachtete, wie die Rücklichter ganz verschwanden. »Du bist eine verdammt gute Fahrerin.«
»Danke. Ich fahre ja auch gern – normalerweise«, fügte sie hinzu.
Sie saßen da wie
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