Der Nautilus-Plan
Motorrad zu hören war, bevor der Schuss fiel.«
»Ein Motorrad und ein Schuss deuten möglicherweise auf einen Wilderer hin.« Simon lauschte, aber zu hören waren nur die Morgengesänge der Insekten.
»Vielleicht.« Sie ging ihre Umhängetasche holen.
Simon folgte ihr und griff sich seine Sporttasche. »Glaubst du, es ist jemand, der hinter uns her ist.«
»Falls ich mich täusche, können wir immer noch zurückkommen und weiterschlafen.«
»Das können wir uns, glaube ich, abschminken.«
Simon war die Ruhe in Person. Er vergewisserte sich, dass seine Pistole geladen war, bevor sie zur Tür eilten.
Liz öffnete sie einen Spalt breit und spähte nach draußen. »Niemand zu sehen«, hauchte sie angespannt.
Simon drückte die Tür weiter auf und spähte durch den Zwischenraum unter einer Angel auf die andere Seite des schwach beleuchteten Flurs. »Auf der anderen Seite ist auch niemand zu sehen.«
Sie schlang sich die Umhängetasche um den Körper. Die Glock mit beiden Händen haltend, huschte sie nach draußen. Simon folgte mit seiner Beretta, der Griff der Uzi stand störend aus seiner Tasche. Stille. Liz wies mit dem Kopf auf das Ende des Flurs. Simon nickte. Sie rannten los, vorbei an den Porträts von Henrys streng dreinblickenden Vorfahren. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der die Suiten und Zimmer dieses Flügels jedes Wochenende von Verwandten und Freunden bevölkert gewesen waren. Jetzt hallte nichts als Leere und Verlassenheit aus jeder Ecke.
Der Flur endete an einer Treppe. Sie blieben am Durchgang zum Treppenhaus stehen und spähten nach oben und unten. Nichts rührte sich. Kein Laut war zu hören. Die Stille war gespenstisch, wie die Ruhe vor einem Sturm. Sie verließen ihre Deckung und huschten die Treppe hinunter. Doch plötzlich hörten sie vier oder fünf Paar Füße über hölzerne Dielen stapfen und blieben abrupt stehen.
»Das war kein Wilderer«, flüsterte Liz. »Sie sind im Haus.«
Bevor Simon zustimmend nicken konnte, ertönten auf der Vorderseite des Hauses laute Schüsse. Fenster zersprangen. Kugeln pfiffen und krachten, gefolgt vom Geräusch splitternden Holzes und dumpf einschlagender Querschläger. Sofort wurde das Feuer aus dem Innern des Hauses erwidert.
»Wir haben sie auf Henrys Fährte gelockt!«, stieß Liz bestürzt hervor.
»Verflucht!« Mit einem mächtigen Satz landete Simon im Erdgeschoss.
Liz folgte ihm. Sie rannten den Flur hinunter zur Eingangshalle und wollten sie gerade durchqueren, als von draußen ein wilder Geschosshagel hereinprasselte, der die Fensterscheiben zertrümmerte und die massive Eingangstür durchlöcherte. Der Lärm war ohrenbetäubend. Holzsplitter sausten wie Pfeile durch die Luft. Liz und Simon warfen sich auf den Marmorboden und legten die Arme schützend um ihre Köpfe.
Sobald das Feuer eingestellt wurde, krochen sie über Glassplitter hinweg zum Salon, an dessen Fenstern drei Diener in Schlafanzügen in Deckung gegangen waren. Sie hatten sich mit einer bunt zusammengewürfelten Mischung aus Flinten und altertümlichen Gewehren bewaffnet. Das graue Licht des tief stehenden Mondes durchzog das Zimmer mit gespenstischen Schatten. Eine weitere Salve krachte durch die Fenster. Ein Gemälde fiel scheppernd auf den Boden. Ein hölzerne Stehlampe zersplitterte. Sobald die Schüsse verstummt waren, richteten sich die Männer auf, um kurz blindlings nach draußen zu feuern, bevor sie sich wieder duckten.
Liz und Simon krochen rasch zu Henrys Diener Richard, der wie ein betender Abt unter einem der Fenster kauerte.
»Wer sind diese Leute?«, fragte ihn Liz. »Und wie viele sind es?«
»Keine Ahnung.« Sein Gesicht war halb im Dunkeln, sodass es wesentlich älter aussah als wenige Stunden zuvor, als er sie ins Haus gelassen hatte. Als erneut eine Salve loskrachte, drehte er sich erschrocken herum. »Ein Dutzend. Vielleicht sogar mehr. Alle bis auf die Zähne bewaffnet.«
»Wo ist Henry?«, fragte Simon besorgt.
»In seinem Schlafzimmer, Sir. Clive ist bei ihm.«
Als wieder ein Schuss durch das Fenster schlug, drückte sich Richard an die Wand. Eine Fensterscheibe zerstob wie glitzerndes Eis. Er wartete kurz, warf sich herum und feuerte blindlings nach draußen. Dann ging er wieder in Deckung.
Weitere Schüsse folgten und löcherten die Wände, sodass niemand sich aus seiner Deckung hervorwagte. Als die Diener schließlich das Feuer erwiderten, huschten Liz und Simon durch die Eingangshalle zu Henrys ehemaligem Arbeitszimmer, das ihm
Weitere Kostenlose Bücher