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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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aus dem Krieg mitgebracht hatte. Oder war es gar kein Traum gewesen?
    Er lauschte stirnrunzelnd, hörte aber nichts. Doch … hatte da nicht ein Motorrad angehalten? In dem stillen Zimmer ertönte ein schwaches Klicken, und gleich darauf spürte er einen kurzen Luftzug, der jedoch sofort wieder erstarb. Er drehte sich mit dem Rollstuhl und sah auf die langen Vorhänge vor den Glastüren. Hatten sie sich bewegt?
    Sein Puls raste, und ihn durchströmte heftige Angst. Seine Pistole war im Nachttisch. Er hatte sich zur Hälfte aus seinem Rollstuhl aufgerichtet, als ein Mann hinter den Vorhängen hervortrat.
    »Guten Abend, Herr Baron.« Der Eindringling hob eine Pistole.
    Henry Percy starrte erst auf die Waffe, bevor er den Blick zum Gesicht des Mannes hob. »Sie!«

FÜNFUNDVIERZIG
    Als das Motorrad abrupt verstummte, kämpfte sich Liz, noch mit geschlossenen Augen, aus dem Schlaf hoch. Sie war nicht sicher, was sie gehört hatte. Aber sie war sich der Anwesenheit Simons neben sich auf dem Sofa sehr deutlich bewusst, als sie dem Knarren der alten Balken in Henry Percys Haus lauschte. Ihr Kopf lag auf Simons Schulter, seine Wange war an ihr Haar geschmiegt. Am liebsten wäre sie immer so liegen geblieben. Er roch gut, unwiderstehlich, wie Walnüsse und Rosinen mit einem dezenten Hauch von Malz. Sie lauschte seinem schwachen Schnarchen, ein himmlisches Geräusch, und kuschelte sich an seine Schulter – bis sie sich wieder erinnerte – Sie riss die Augen auf. War da ein Motorengeräusch gewesen – ein Motorrad –, das verstummt war, bevor es das Haus erreicht hatte? Sie ließ sich zurücksinken und überlegte. War vielleicht einer von Henrys Hausangestellten spät von einem nächtlichen Ausflug zurückgekehrt? Oder ein Gärtner früh zur Arbeit gekommen. Sie wartete auf ein Flüstern oder Kichern, leise Stimmen, eine sich schließende Tür. Nichts. Allerdings waren Simon und sie auf der Rückseite des Hauses im Obergeschoss. Deshalb war alles, was sich auf der Vorderseite des Hauses oder in den Haupträumen oder sogar in der Küche abspielte, schwer zu hören.
    Dem lodernden Feuer im Kamin und der Dunkelheit draußen nach zu schließen, hatte sie nicht lange geschlafen. Sie war nicht sicher, ob sie den Motor überhaupt gehört hatte. Jedenfalls war sie inzwischen hellwach, und ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren. Das war das eigentliche Problem. Sie versuchte, sich zu beruhigen, aber ihre Gedanken kehrten immer wieder zu dem langen Gespräch zurück, das sie mit Henry über Nautilus und seine Rolle innerhalb dieser Organisation geführt hatte.
    Was sie dabei ganz besonders beschäftigte, waren die fünf Mitglieder der Schlange mit ihren eigenartigen Decknamen – das Renommee, das sie weltweit genossen. Ihr ungeheurer Reichtum und Einfluss. Und der ehrfürchtige Neid derer, die in ähnliche Höhen aufzusteigen hofften.
    Und doch hatten diese Männer sie behandelt wie eine Laborratte, und Kirk und den Dekan und seine Frau hatten sie sogar ermorden lassen. Wie hatten sie so etwas tun können? Die nächstliegende Erklärung war Geldgier oder der Wunsch, die Unterlagen ihres Vaters in ihren Besitz zu bringen. Aber das war keine wirklich zufrieden stellende Begründung. Angewidert erinnerte sie sich an eine Stelle aus Sophokles’ König Ödipus: »Möge Gott dich vor der Einsicht bewahren, wer du bist!« Das war es: Der griechische Tragödienautor hatte von den Abgründen der menschlichen Seele gewusst – dass man selbst sein höchster und entscheidender Richter war. Um ihre hohe Meinung von sich aufrechterhalten zu können, rationalisierten die Menschen ihre weniger ruhmreichen Taten einfach weg. Und je mehr sie rationalisierten, desto besser wurden sie darin. Und umso größer wurde das Böse, das sie auf diese Weise vor sich rechtfertigen konnten.
    Liz konnte nur mit Mühe ein Schaudern unterdrücken. Simon, der ihr Unbehagen zu spüren schien, zog sie fester an sich – da durchbrach ein Schuss die Stille.
    Er fuhr wie ein Messer durch ihr Herz. »Simon!« Sie schüttelte seinen Arm.
    Er war bereits wach. »Verdammt! Was …«
    »Ein Schuss.« Sie löste sich von ihm und stürzte an eins der hohen Fenster.
    Simon war sofort neben ihr. »Hast du sonst noch etwas gehört?«
    Der Fischteich und der Wald wirkten unverändert, vom Mond, der sich dem Horizont entgegen senkte, von tiefen Schatten durchzogen. Simon öffnete das Fenster. Er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken.
    »Könnte sein«, sagte Liz, »dass ein

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