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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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paar Mal mit ihr geschlafen und hoffte auf weitere romantische Intermezzi mit ihr.
    Hinter Viera ging ihr Bruder Johann, ein Bergmann mit mächtigen Armen, der jedes männliche Wesen, das sie anzusehen wagte, mit finsteren Blicken bedachte. Hochintelligent und sehr engagiert, waren es vor allem Viera und Johann Jozef, die in Bratislava den Widerstand gegen die weltweite Globalisierung organisierten. Johann sprach gerade mit einem Mann, der ein riesiges Schild mit der Aufschrift ATOMKRAFT TÖTET trug. Blase kannte ihn nicht. Die zwei Männer waren ganz in ihr Gespräch vertieft, die Schultern aneinander gelehnt, die Ohren dem Mund des anderen zugeneigt.
    Blase ließ den Blick über die Menge wandern und versuchte, sich einen Eindruck von der Grundstimmung zu verschaffen. Die Atmosphäre wurde zunehmend angespannter. Als er kurz zum fest verschlossenen Eingang der Botschaft blickte und dann wieder zurück, traf ein Markiza-Aufnahmewagen ein. Zwei Kameramänner sprangen heraus und rannten, die Kameras auf ihren Schultern, los. Ihnen folgten zwei Reporter, die bereits Notizblock und Stift gezückt hatten, und drei Techniker machten sich hastig daran, Mikrofone, Kabel und andere Ausrüstungsgegenstände auszuladen. Nachdem der Privatsender ein großes Team geschickt hatte, rechnete man dort mit einer brisanten Meldung. Es hieß auch, dass weitere Medienvertreter folgen würden.
    Eine Minute später hielten unter lautem Reifenquietschen Einsatzfahrzeuge und Kleinbusse auf dem Platz. Doch als die Polizisten ausstiegen, bewegten sie sich langsam und träge. Das Ende des kommunistischen Systems lag fast fünfzehn Jahre zurück, aber unter den Polizisten des ehemaligen Ostblocks herrschte noch immer der alte Geist, und da war die Polizei von Bratislava keine Ausnahme. Ihre Schlagstöcke und ihre finsteren Blicke sprachen eine universell verständliche Sprache. »Komm mir bloß nicht dumm, Freundchen, oder ich schlage dir den Schädel ein.«
    In dem Bestreben, die Menge der Demonstranten einzukreisen und auf diese Weise unter Kontrolle zu halten, verteilten sich die Einsatzkräfte über den Platz. Andere Uniformierte luden Absperrseile, Wasserschläuche und Schutzschilde aus den Fahrzeugen. Eine Phalanx aus Bereitschaftspolizisten drängte die Menge von der Botschaft weg, zurück in den Park.
    Das gefiel Blase Kusterle gar nicht. Viera hatte ihm erzählt, für diesen Abend sei nichts Besonderes geplant, nur eine ganz normale Demonstration gegen die Weltbank und ihren neuen Präsidenten. Johann hatte bestätigt, dass mit dem üblichen hitzigen, aber letztlich harmlosen Aufeinandertreffen gerechnet würde. Wenn Blase woanders dringender gebraucht würde, kein Problem.
    Inzwischen war Blase klar, dass sie entweder gelogen hatten oder ahnungslos waren. Trüge er nicht diesen blöden Smoking, der ihn als Feind abstempelte, wäre er jetzt da draußen, wo er hingehörte.
    Aus der aufgeheizten Menge kam ein plötzlicher Ausbruch von Lärm. Es waren keine gerufenen Befehle zu hören gewesen, und er hatte auch nichts gesehen, was ihn provoziert hatte, aber die Menschenmassen schienen sich wie ein aufziehendes Gewitter zu einem einzigen kompakten Wesen zu vereinen, als sie unter den Bäumen hervor und um die geparkten Autos herum auf die Botschaft zustürmten. Der Lärm war gewaltig, beängstigend. Die schwüle Luft schien zu knistern.
    Das muss die geplante Aktion sein, entschied Blase blitzschnell. Die Aufforderung musste von Mund zu Mund verbreitet worden sein.
    Er warf seine Zigarre weg und rannte los. In der Nähe der Botschaft forderte jemand mit einem Megafon die Menge auf, sich wieder zurückzuziehen. Die Demonstranten brüllten dagegen an. Hupen ertönten, als die Menge mehrere Autos am Weiterfahren hinderte. Und genauso schnell, wie alles begonnen hatte, blieben jetzt diejenigen, die am nächsten an die Botschaft herangekommen waren, abrupt stehen. Auch der Rest der Demonstranten kam zum Stehen, zunächst vorne, dann in einer Wellenbewegung, die sich wie bei einem Tausendfüßler durch die ganze Menge fortsetzte, bis ins letzte Glied, bis alles zu einem angespannten Stillstand kam und abwartete, was passieren würde.
    Einzelne Gruppen von Demonstranten streifend, rannte Blase um die Menge herum und blieb schließlich keuchend stehen. Es war Viera. Mit flatterndem Kleid lief sie auf die freie Fläche zwischen Demonstranten und Botschaft. Es kam zu einem überraschenden Stillstand, sodass die Polizei dachte, die Menge aufgehalten

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