Der Nautilus-Plan
die Tür ging auf. Vor ihr stand einer der Männer von vergangener Nacht. In einer Hand hatte er eine AK-47, mit der anderen hielt er ihr eine Papiertüte hin. Hinter ihm war ein schmaler, niedriger Steingang zu erkennen, wie er für mittelalterliche Burgen typisch war.
»Sandwiches.« Der Mann sah sich nur flüchtig in der Zelle um.
Sie beobachtete ihn so beiläufig wie möglich. Er hatte dichte Augenbrauen, und sein schiefes Gesicht wirkte gelangweilt. Er hielt das Gewehr locker in der Hand, und in einem Lederfutteral an seinem Gürtel hatte er ein Handy hängen.
»Danke«, sagte Liz freundlich. »Haben wir heute gutes Wetter?«
Der Mann sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren, und wandte sich zum Gehen.
»Sollen wir davon etwa satt werden?«, protestierte Sarah. »Wir haben Hunger.«
»Mehr gibt’s nicht.« Der Mann schloss die Tür, und Sarah hörte, wie von draußen der Riegel vorgeschoben wurde.
»Gibt’s was zu essen?« Asher setzte sich auf seinem Bett auf.
Seine Stimme klang kräftiger als am Abend zuvor, und seine Augen wirkten vollkommen klar. Sein gelocktes schwarzes Haar war wild zerzaust, aber seine Gesichtsfarbe war normal. Er saß aufrecht da, die Füße fest auf dem Boden. Bis auf die Anspannung um Mund und Augen sah er gut aus. Das gesprenkelte Licht, das durch die hoch angebrachten Fenster fiel, spielte über sein markantes Gesicht.
Sarah setzte sich neben ihn, und gemeinsam aßen sie die kalten, mit Eiern und Schinken belegten Sandwiches. Dazu tranken sie eine Flasche Wasser. Seit der Wärter mit dem Essen aufgetaucht war, hatte Liz begonnen, einen Fluchtplan zu entwerfen. »Möglicherweise weiß ich, wie wir hier rauskommen können. Aber bist du schon wieder so weit bei Kräften, um mir dabei helfen zu können? Dazu ist nämlich etwas Gewaltanwendung nötig.«
Ashers Augen verhärteten sich zu schwarzen Achaten. »Schieß los.«
»Zunächst brauchen wir einen großen, scharfkantigen Stein. Irgendetwas, was bedrohlich aussieht. Wenn der Wärter wieder auftaucht, stellst du dich mit dem erhobenen Stein so hin, als wolltest du ihn angreifen. Da alles darauf hindeutet, dass sie uns – zumindest vorerst noch – am Leben lassen wollen, wird er sicher nicht schießen, sondern nur versuchen, dich niederzuschlagen, vermutlich mit seinem Gewehr. Deshalb musst du weit genug von ihm entfernt stehen, damit er erst auf dich zulaufen muss. An dieser Stelle komme ich ins Spiel. Ich drücke mich neben der Tür mit dem Rücken gegen die Wand. Wenn er in die Zelle stürmt, trete ich ihm das Gewehr aus der Hand, und du schnappst es dir, wenn er auf mich losgeht.«
Asher sah sie skeptisch an. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass so ein simpler Trick funktionieren könnte?«
»Doch. Du hättest mal den Wärter sehen sollen. Der Kerl ist zu Tode gelangweilt, absolut lustlos. Er denkt, von uns droht keinerlei Gefahr.«
Asher dachte nach. »Und wenn er neue Anweisungen erhalten hat oder wenn du das Gewehr nicht fest genug triffst, um es ihm aus den Händen zu schlagen? Bist du dafür in Karate noch gut genug? Ich meine, das ist doch schon eine Weile her.«
Sarah entgegnete kühl: »Ich mache auch noch anderes, als zu recherchieren und zu schreiben, während du dich in der Weltgeschichte herumtreibst.«
Da seine langen Auslandsaufenthalte ein wunder Punkt für sie waren, hielt er es für das Klügste, nichts mehr zu sagen. Außerdem bekam er ein schlechtes Gewissens, dass er nichts von ihrem Karate-Training wusste. Er sah sie an. Ihr Gesicht starrte vor Schmutz, und sie hatte diesen ganz bestimmten Blick aufgesetzt, bei dem man ihr lieber nicht dumm kam. Das hatte er immer schon an ihr gemocht.
Doch bevor er ihr das sagen konnte, fuhr sie fort: »Und dann wäre da auch noch die Frage, ob du überhaupt schon wieder genug bei Kräften bist. Denn selbst wenn mein Plan funktionieren sollte, müssen wir immer noch hier rauskommen, und dazu müssen wir vielleicht auch ein bisschen laufen.«
Asher nickte. »Ich kann meine Schmerzen ignorieren.«
»Außer sie werden so schlimm, dass du umkippst.«
»Dazu wird es nicht kommen«, versicherte er ihr.
Aber beide wussten, dass es nicht auszuschließen war. Aber ihnen blieb keine andere Wahl. Sie aßen zu Ende und machten sich an die Arbeit. Sie suchten die Wände nach einem losen Stein ab, der groß genug war, um den Wärter zu der gewünschten Reaktion zu verleiten.
Die Nachmittagssonne wärmte ihre steinerne Zelle, und von draußen drang
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