Der Nautilus-Plan
massiv expandieren will. Falls ihn Santarosa allerdings zwingt, SkyCall abzustoßen, kommt er gewaltig ins Schleudern.«
»Damit hätten wir schon zwei Mitglieder der Schlange, die als Erpresser in Frage kämen.«
Sie tauschten einen besorgten Blick aus und setzten ihre Suche fort. Nach einer Stunde stand Simon auf, um zwei weitere Milchkaffees zu holen.
»Hier haben wir schon wieder den Ostblock«, sagte er leise, nachdem er wieder an seinem Terminal Platz genommen hatte. »Diesmal ist es Richmond Hornish und sein Vorzeigeprojekt – du weißt schon, die Computer, die er unter dem Selbstkostenpreis an alle bulgarischen Schulen verkaufen will. Die Kommission geht der Frage nach, ob er dafür Zinserleichterungen gewährt bekommt, was ihrer Auffassung nach auf eine Wettbewerbsverzerrung hinausliefe.«
»Meinen sie, Hornish könnte möglicherweise Provisionen kassieren?«
»Darauf läuft es praktisch hinaus, ja. Wenn der Kommissionsbericht zu diesem Ergebnis gelangt und Santarosa den Bericht freigibt, wäre das für Hornishs Ambitionen auf den Friedensnobelpreis ein schwerer Rückschlag. Er hat sich in den vergangenen fünf Jahren ganz darauf konzentriert, von seinem Ruf als skrupelloser Finanzhasardeur loszukommen und sich als Anwärter auf den Nobelpreis zu profilieren.«
»Dann hat er einiges zu verlieren. Auch er könnte der Erpresser sein.«
Simon nickte, und sie setzten ihre Recherchen fort. Sie hatten fast die ganze Internetseite durchgearbeitet und wollten sie gerade schließen, als Liz auf Gregory Gilmartins Namen stieß.
»Die Fusion von Gilmartin Enterprises mit Tierney Aviation hatte ich ganz vergessen. In den USA wurde sie allerdings bereits von der SEC genehmigt. Ich wusste gar nicht, dass auch die EU ihr Einverständnis erklären muss. Beides sind amerikanische Unternehmen. Wieso hat da auch Europa ein Mitspracherecht?«
»Weil beide Unternehmen in Europa sehr aktiv sind«, sagte Simon. »Deshalb reicht die Genehmigung der SEC nicht aus. Die Befugnisse der EU-Wettbewerbskommission lassen sich nicht mit denen der amerikanischen SEC vergleichen – sie kann Konzerne, die ihre Marktstellung missbrauchen, nicht zerschlagen, und sie kann sie auch nicht zwingen, einzelne Unternehmenszweige abzustoßen. Sobald eine Fusion einmal genehmigt ist, hat die Kommission kaum mehr Handhaben, ein Monopol aufzulösen. Sie kann nur im Vorfeld eingreifen, und deshalb stellt sie ihre eigenen Nachforschungen an, unabhängig davon, was die SEC entschieden hat. Erst dann trifft Santarosa seine Entscheidung.«
»Das ist eine riesige Fusion. Ein 40-Milliarden-Coup. Er würde Gilmartin-Tierney zu einem der größten globalen Unternehmen machen, und Gregory Gilmartin würde dadurch sogar noch seinen Vater und Großvater in den Schatten stellen. Ich habe mal gelesen, die beiden genießen in Wirtschaftskreisen einen geradezu legendären Ruf, während der Enkel bislang als eher unbeschriebenes Blatt galt.«
Simon lehnte sich zurück und streckte sich. »Wie es aussieht, hätten vier Mitglieder der Schlange einen Grund, Santarosa zu erpressen. Pech für uns, denn damit haben wir immer noch keinen eindeutigen Kandidaten.«
»Wirklich erstaunlich, dass bei so vielen das wirtschaftliche Überleben ganz maßgeblich von Santarosas Entscheidung abhängt. Aber ich kann mir vorstellen, dass man sich heute in der Wirtschaft auf internationaler Ebene ständig mit irgendwelchen behördlichen Regulierungsmaßnahmen herumzuschlagen hat.«
»Natürlich. Unter Globalisierung versteht man im Wesentlichen nichts anderes, als dass die Unternehmen darauf hinarbeiten, ihr Kapital, ihre Fertigungsstätten und Investitionen ungehindert überall dorthin auf der Welt verlagern zu können, wo sie die billigsten Arbeitskräfte und Rohstoffe, die besten Absatzmärkte und die günstigsten steuerlichen Bedingungen vorfinden. Jedes Mal, wenn sie also eine Grenze überschreiten, müssen sie mit neuen Regelungen und Bestimmungen rechnen. Zum Teil hat das zur Folge, dass internationale Handelsabkommen den Entscheidungsspielraum einzelner Regierungen immer mehr einengen. Das führt sogar so weit, dass sie in ihren Entscheidungen den Finanzmärkten unterworfen sind und nicht den Bedürfnissen der jeweiligen Bevölkerung.«
»Sprich: Nahrung und Unterkunft.«
»Ja, und sauberes Wasser und Bildung. Die EU bemüht sich zwar, eine gewisse Kontrolle auf die Wirtschaftsunternehmen auszuüben, aber solange Profitmaximierung oberstes Ziel des Kapitalismus bleibt,
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