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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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Abreise aus London hatte er sie gesäubert und geladen. Er rechnete nicht damit, von ihr Gebrauch machen zu müssen, aber ein kluger Mann traf seine Vorbereitungen. Als er die Waffe in seiner Hand wog, sah er sich im Spiegel, sein dichtes, nach hinten gebürstetes graues Haar, den mächtigen Kopf, die rosafarbenen, frisch rasierten Wangen, das vorstehende Kinn, die Kleidung ganz im Stil alten Geldadels. Seine kräftige, athletische Statur. Und den strengen, scharfsinnigen Ausdruck seines Gesichts, den er sein Leben lang kultiviert hatte. Ja, er war durch und durch Alte Welt, aber in gleichem Maß von Pragmatismus und Idealismus durchdrungen. Er musste daran denken, was Plato der attischen Demokratie vorgehalten hatte: Die Strafe dafür, nicht an der Politik teilzuhaben, bestand darin, von Geringeren als man selbst beherrscht zu werden.
     
    Unter dem wild bewegten grauen Himmel schnappte sich Simon seine Sporttasche, und Liz griff nach ihrer neuen Umhängetasche. Sie ließen den Land Rover am Straßenrand stehen und schritten durch das Niemandsland zwischen den Demonstranten, die schreiend ihre Transparente hochhielten, und den Sicherheitskräften, die finster blickend ihre Waffen umklammerten. Es roch nach Ozon und Schweiß. Es war schon fünf Uhr vorbei, und die langen Karawanen, die auf Einlass in Dreftbury warteten, waren kürzer geworden. Trotzdem kam man zu Fuß wesentlich schneller auf das Gelände.
    Als sie am Lieferanteneingang vorbeigingen, durchsuchten Polizisten mit Hunden die Fahrzeuge, während Sicherheitsbeamte die Fahrer filzten und die Ladungen kontrollierten. Einer leerte einen Karton Milch; ein anderer schlitzte eine Packung tiefgefrorener Erbsen auf. Wahrscheinlich suchten sie nach winzigen Waffen oder nach Semtex. Währenddessen gelang es vier älteren weißhaarigen Demonstranten, unter den Absperrungen durchzukriechen und über die Straße auf das Tor zuzulaufen. Die umstehenden Wachmänner packten ihre Waffen und rannten los, um sie abzufangen.
    »Das erinnert mich an den Abend in Bratislava, als Viera sich selbst angezündet hat«, sagte Simon mit gepresster Stimme. »Danach sind die Demonstranten durchgedreht.« Hinter seiner Sonnenbrille hervor beobachtete er die Menge und versuchte, das Gewaltpotential abzuschätzen. Ein paar Gesichter waren dabei, die er kannte – die üblichen Lehrer und Arbeiter, Hausfrauen und Studenten, die deutsch, polnisch, slowakisch, tschechisch und englisch sprachen.
    »Das wundert mich überhaupt nicht.« Lizs Blick folgte Simons Blick, alle Sinne in höchster Alarmbereitschaft. »Randalierer können übrigens nie gewinnen, weißt du das?«
    »Dann sag ihnen das mal. Sieh dir diese alten Leute an. Sie lassen nicht locker.«
    Polizisten legten dem betagten Quartett Handschellen an und führten sie zu einer grünen Minna. Sie lächelten grimmig, fast so, als wären sie auf dem Weg zu einem Fest.
    »Sie randalieren doch gar nicht«, sagte Liz. »Demonstranten wollen zunächst Verbesserungen, auch wenn die Mehrheit vielleicht andere Vorstellungen hat, was ›besser‹ ist. Sie wollen eine positive Revolution. Aber randalieren ist nicht revolutionär. Es ist reaktionär und endet immer in einer Niederlage. Mit Randalieren erreicht man bestenfalls, dass man seinen Gefühlen Luft machen kann. Aber danach stellt sich rasch das Gefühl ein, dass alles vergeblich war, denn die Macht, die man für kurze Zeit verspürt haben mag, löst sich rasch in nichts auf. Der nächste Schritt ist hilfloses, blindes Um-sich-Schlagen.«
    »Ist das eine der Weisheiten von Professor Sansborough?«
    »Nein, das ist von Martin Luther King jr. Natürlich habe ich seine Gedanken nur dem Sinn nach wiedergegeben. Aber sieh dir mal die Gesichter der Demonstranten an und dann die Polizisten. Was sagt dir ihre Körpersprache? Sie sind Spiegelbilder des jeweils anderen und sprühen förmlich vor moralischer Entrüstung.«
    »Aber wieso randalieren Menschen, wenn es ohnehin sinnlos ist?« Simon beobachtete Sicherheitskräfte und Demonstranten. Und dann entdeckte er plötzlich Vieras Bruder Johann Jozef. Stämmig, knapp einsachtzig groß, trug er ein Schild mit der Aufschrift:
     
    WIR FORDERN EINE WELTWIRTSCHAFT
    FÜR DIE MENSCHEN, NICHT GEGEN SIE!
     
    Johanns Gesicht war wutverzerrt. Aus den frischen Falten um seinen Mund sprach tiefer Kummer. Auf der Brust trug er ein in Plastik eingeschweißtes Foto seiner Schwester Viera. Simon stockte der Atem.
    »Zu einem großen Teil ist es reiner

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