Der Nautilus-Plan
kann mir nicht vorstellen, dass es in Ihrem Interesse wäre, wenn außer Ihnen und uns beiden noch jemand etwas davon erführe.« Er sah kein einziges Mal zu dem gegen die Wand gelehnten Bodyguard.
Ebenso wenig tat das Jimmy Unak. Stattdessen wandte er sich mit einem aufgesetzten Lächeln Liz zu. »Wer ist überhaupt die Dame in Ihrer Begleitung, Inspector?«
»Detective Phyllis Roam«, sagte sie in nüchternem, kaltem Ton.
Unak taxierte sie in aller Ruhe, eindeutig mit sexuellen Hintergedanken. »Vielleicht sollte ich doch öfter mal nach Lancashire hochkommen.«
Ganz in Einklang mit ihrer Rolle als herablassende Kriminalbeamtin aus dem rauen Norden verzog Liz angewidert den Mund.
Unak griff nach einem Brieföffner und säuberte sich die Fingernägel. »Es gibt nichts, was mein alter Kumpel Packy nicht hören dürfte, Inspector.« Er zeigte auf den Bodyguard, der offensichtlich Packy hieß. »Also, was sind das für ›Dinge‹, über die wir uns Ihrer Meinung nach so dringend unterhalten sollten?«
»Ihr ehemaliger Freund Gregory Watson, Gott hab ihn selig, und ihr Konkurrent, Donny Mester.«
Das Stirnrunzeln kehrte zurück. »Ich halte nicht viel davon, über die Vergangenheit zu reden. Was vorbei ist, ist vorbei, daran lässt sich nichts mehr ändern. Bringt nichts, immer weiter darüber zu quasseln?«
»Dummerweise wollen wir aber darüber reden, Jimmy, und wir werden auch darüber reden.«
Unaks Augen leuchteten auf, und er erhob sich von seinem Schreibtisch, die Titanic auf dem Kamm einer gigantischen Welle. »Solange Sie beide keinen Haftbefehl haben, Anderson, interessiert es mich einen feuchten Dreck, was Sie wollen, ist das klar?«
»Für Sie immer noch Inspector «, entgegnete Simon auf dieselbe herablassende Art wie bisher. Er rührte sich nicht von seinem Sessel. »Und im Übrigen interessiert Sie sehr wohl, was ich will. Uns liegt nämlich eine äußerst detaillierte Beschreibung eines Herrn vor, der den Auftrag hat, Sie umzubringen.«
Der Gangster zuckte mit keiner Wimper, aber einen Augenblick lang trat Besorgnis an die Stelle des Ärgers in seinen Augen. »Wer sollte das sein?«
»Zuerst reden wir über das, was wir von Ihnen wollen. Nennen Sie es meinetwegen ein Geschäft.«
»Ein Geschäft? Was für ein Geschäft?«
»Ein Deal, Jimmy, wie sie in Amerika dazu sagen. Quid pro quo. Sie wissen doch, was das bedeutet? So ein bedeutender Mann wie Sie.«
Liz wurde nervös. Bisher hatte Simon seine Sache gut gemacht, aber jetzt begann sie sich Sorgen zu machen, er könnte es übertreiben. Der stärkste psychologische Auslöser für gewalttätiges Verhalten war das Gefühl, beschämt, erniedrigt, beleidigt, gedemütigt, zurückgewiesen zu werden – das alles kam als die ultimative Provokation in Frage. Man gab seinem Gegenüber zu verstehen, dass er unterlegen war, ein Nichts, ein Niemand.
Simon provozierte Unak ganz gezielt. Es war eine riskante Gratwanderung zwischen einem Gangster, der keinen Ärger mit dem mächtigen Scotland Yard bekommen wollte, und einem hasserfüllten, labilen, möglicherweise mit Minderwertigkeitskomplexen behafteten Mann, der sehr schnell irrational und gegen seine eigenen Interessen handeln konnte. Die Gefahr war greifbar.
Unaks Gesicht verfärbte sich rot. »Ich weiß sehr genau, was das bedeutet, Bulle, und ich scheiße auf Ihren blöden Deal!«
Der Bodyguard, Packy, ließ die zwei Vorderbeine seines Stuhls auf den Boden knallen, und seine rechte Hand glitt unter seinen Smoking. Liz verlagerte ihr Gewicht, bereit, sofort einzuschreiten oder in Deckung zu gehen. Nur Simon ließ sich, wie sich das für einen Polizeiinspektor gehörte, nicht aus der Ruhe bringen.
»Ein Deal«, wiederholte Simon. »Ich dachte, Sie wüssten gern, wer Ihr Henker sein wird.«
Unak blinzelte. Eine abwehrende Handbewegung in Richtung Packy nahm die Luft wieder heraus. »Wie heißt der Kerl? Dieses Schwein bringe ich eigenhändig um!« Er konzentrierte sich auf das, worauf es wirklich ankam – sein Leben.
Simon schüttelte tadelnd den Kopf. Liz hatte Mühe, normal zu atmen und ihre versteinerte Miene beizubehalten. England war ein anderes Land, eine andere Welt als Amerika. Das Machtverhältnis zwischen Polizei und Kriminellen fiel hier in wesentlich stärkerem Maß zugunsten der Polizei aus. Simon hatte ganz allein Guter-Cop-böser-Cop gespielt und den Gangster so weit aus der Fassung gebracht, dass er fast etwas getan hätte, was er bereute, um ihm dann einen Deal vorzuschlagen,
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