Der Nautilus-Plan
Sie drückte auf alle Knöpfe mit der Aufschrift LÖSCHEN.
Als sie wieder zu Simon zurückkehrte, war der Wachmann nur noch in seiner Unterwäsche und mit verbundenen Augen an einen Schreibtischstuhl gefesselt. Simon hatte die Mütze des Mannes aufgesetzt und knöpfte gerade sein weites Hemd über seinem eigenen zu. In einer Hand die Schlüssel des Wachmanns, griff er mit der anderen nach seinem Sportsakko.
Er rannte auf den Seiteneingang zu. »Hier lang.« Ohne sich zu vergewissern, ob Liz ihm folgte, öffnete er die Tür. Wenn er sich richtig erinnerte … ja, dort stand der Pick-up.
Liz schaltete sofort und folgte ihm in die Nacht hinaus. Sie durften keine Zeit verlieren. Der Unbekannte konnte jeden Moment über den Zaun klettern. »Ich übernehme das Tor.« Sie rannte los.
Simon sprang in den Pick-up, startete den Motor, gab Gas, wendete schleudernd und fuhr auf das Tor zu.
Liz hieb auf den Knopf zum Öffnen des Tors und stellte sich auf die linke Seite, um auf der Beifahrerseite einsteigen zu können. Weil der Motor des näher kommenden Pick-up alle anderen Geräusche übertönte, konnte sie nicht hören, was auf der anderen Seite des Zauns los war. Sobald Simon langsamer fuhr, sprang sie auf den Beifahrersitz und warf sich auf den Boden.
»Gut gemacht«, sagte Simon, ohne nach unten zu schauen. »Das Tor ist inzwischen weit genug offen. Es kann losgehen.« In seinem Uniformhemd und der Mütze machte er einen hochoffiziellen Eindruck, als er gemächlich nach draußen fuhr. »In welcher Richtung steht der Geländewagen?«
»Rechts«, sagte Liz vom Boden hoch.
Simon bog nach links.
»Siehst du ihn?«, fragte sie.
Er sah in die Rückspiegel, und über seine Züge legte sich ein breites Grinsen, sodass er noch jünger und unbekümmerter aussah, als er ohnehin war. Er lachte leise.
»Was ist so lustig?«
»Dieser Typ ist gerade durch das Tor geschlüpft, so richtig unauffällig. Er ist maskiert. Kommt sich wahrscheinlich besonders schlau vor, weil er nicht über den Zaun klettern muss. Wir fahren zu meinem Leihwagen. Der Kerl ist sicher so beschäftigt, dass er uns keinen Ärger macht.«
Liz kam auf den Sitz hoch. »Vorerst jedenfalls.«
SECHZEHN
Auch lange nach Mitternacht war auf den Straßen des Londoner Vergnügungsviertels Soho noch einiges los. Aus den offenen Türen von Pubs und Clubs drangen Zigarettenrauch und Musik, während die Jugend trank, tanzte, rauchte und schnupfte. An Cafétischen im Freien saßen Scharen junger Mädchen, die sich unterhielten und Jungs beäugten. Von Straßenlaternen und Leuchtschildern war die Sommernacht bunt erleuchtet, und auf den Straßen herrschte reges Leben.
Das Radio in Simons Wagen berichtete vom Treffen der G8-Regierungschefs, die in der kommenden Woche in Glasgow zu Gipfelgesprächen und publikumswirksamen Fototerminen zusammenkommen würden. Während er und Liz nach einem Parkplatz Ausschau hielten, kam eine neue Meldung.
Als Liz den Namen Patricia Childs hörte, drehte sie das Radio lauter. »… mit Spuren von Kokain in ihrer Wohnung im Londoner East End erschossen aufgefunden«, tönte die Stimme des Nachrichtensprechers aus den Lautsprechern. »Sie war vor ihrem Tod übel zugerichtet worden.«
»O mein Gott! Tish! « Liz beugte sich vor und hörte angespannt zu.
»… in einer Mülltonne in der Durchfahrt des Hauses wurde eine Walther mit Schalldämpfer gefunden. Sie wird gerade untersucht, um festzustellen, ob es sich dabei um die Mordwaffe handelt. Ein Zeuge sagte aus, am Abend der Tat eine große Frau mit kurzem kastanienbraunem Haar gesehen zu haben, die Mrs. Childs besuchte. Ein anderer Zeuge berichtete von einem verdächtig aussehenden Mann in einem schwarzen Overall, der sich eine schwarze Kappe so tief in die Stirn gezogen hatte, dass sein Gesicht nicht zu erkennen war …«
»Verdammt!«, stieß Simon hervor. »Sie hatte es ja schon mit Mark nicht leicht, und jetzt das noch.«
Liz schlug das Herz bis zum Hals. »Einfach grauenhaft.« Die Person, in deren Besitz sich die Aufzeichnungen befanden, hatte auch Tish ermordet. Genau so, wie er sie zweimal in Santa Barbara und einmal vor dem Krankenhaus in Paris umzubringen versucht hatte. Sie blickte auf die belebte Straße hinaus, und einen Augenblick lang schien es ihr, als lauerte hinter jedem Autofenster ein Killer. Arme Tish. Sie hätte wesentlich Besseres verdient.
»Glaubst du, sie wurde wegen der Aufzeichnungen des Carnivore ermordet?«
»Weshalb sonst?« Sie beobachtete den
Weitere Kostenlose Bücher