Der Nautilus-Plan
aber es ist doch hoffentlich nichts Ernstes mit Ihren Augen.«
Unwillkürlich schob der Mann seine randlose Brille höher auf die Nase. »Sie sehen aber keinem dieser Fotos ähnlich«, sagte er vorwurfsvoll.
»Ja, leider.« Sie blickte sich hilflos um. »Ich wollte Sie schon fragen, in welcher Richtung mein Zug steht. Blind bin ich zwar noch nicht und brauche deshalb auch keinen Stock, aber weit entfernte Schilder kann ich nur mit Mühe lesen. Wenn Sie also so freundlich wären, mir die ungefähre Richtung zu sagen, wäre mir das eine große Hilfe.«
Sie ließ sich ihre Nervosität nicht anmerken, als sie den Mann ansah. Seine strenge Miene war etwas nachsichtiger geworden. Jetzt war der Moment gekommen, richtig dick aufzutragen, auch auf die Gefahr hin, dass er sich sperrte und Hilfe anforderte.
»Wenn ich wieder zu Hause bin, muss ich meinen Führerschein zurückgeben«, erklärte sie. »Ich sehe nicht mehr gut genug, um noch länger Auto zu fahren. Dieses langsame Erblinden hat mein Selbstvertrauen gewaltig erschüttert – sagt zumindest mein Therapeut. Ich habe doch mal ganz gut ausgesehen, finden Sie nicht?«
Sie lächelte tapfer.
Sein Gesicht fiel in sich zusammen. »Ja, sehr gut sogar.«
Gott sei gedankt für die Freundlichkeit der Menschen. »Könnten Sie mir jetzt bitte sagen, wohin ich gehen muss?«
Das gab den Ausschlag. Er zeigte schräg nach rechts und erklärte es ihr. Sie nahm Pass und Führerschein an sich und bedankte sich. Simon saß auf einer Bank und tat so, als läse er die Times. Mit wachsamem Blick hob er zu einem unauffälligen Nicken das Kinn. Sie eilte auf die Züge zu. Er stand auf, klemmte sich die Zeitung unter den Arm und folgte ihr.
ACHTZEHN
Paris
Auf der langen Fahrt von London nach Paris saßen Liz und Simon so, dass sie sich gegenseitig sehen und abwechselnd schlafen und Wache halten konnten. Nach der Ankunft in Paris nahm sie sich ein Taxi und er einen Leihwagen.
Sobald sie auf dem Rücksitz Platz genommen hatte, rief sie Mac an, aber es meldete sich niemand. Sie hinterließ ihm eine Nachricht, er solle sie zurückrufen, dann wandte sie sich in Gedanken Asher zu. Sie hoffte, dass es ihm besser ging und er gute Nachrichten von Sarah hatte. Sie wollte ihm von London erzählen, von Tishs Ermordung, von Simon und vom MI6 und dass sie herausgefunden hatten, dass Melanie und Mark ermordet und die Aufzeichnungen anschließend verkauft worden waren. Mac durfte sie von all dem natürlich nichts erzählen. Jedenfalls nicht, wenn sie nicht riskieren wollte, dass diese Informationen umgehend an die Killer weitergeleitet würden, die hinter ihr her waren.
Als sie schließlich das Krankenhaus betrat, war es früher Nachmittag. Krankenschwestern machten Medikamente fertig, Pfleger schoben Patienten zur Physiotherapie. Im Flur roch es nach Müdigkeit und Lysol. Als sie auf Ashers Tür zueilte, stutzte sie. Der Stuhl, der immer davorgestanden hatte, war weg. Ein Wachmann – CIA oder anderweitig – war nicht zu sehen. Die Tür war offen, und sie warf sofort einen Blick in das Zimmer.
Der Mann, der dort schlief, war fast siebzig, und er hatte eine Glatze und Fettwülste unter dem Kinn. Eindeutig nicht Asher.
Sie eilte zur Schwesternstation zurück. »Wohin wurde Asher Flores verlegt?«
»Ah, Madame Flores. Hat man Sie nicht benachrichtigt?«
»Benachrichtigt? Worüber? Was ist mit meinem Mann passiert?«
Die Schwester machte große Augen. »Er wurde entlassen. Wussten Sie das nicht?«
»Ich musste kurz verreisen.«
Warum könnte die CIA Asher aus dem Krankenhaus verlegt haben, wo er sich in Sicherheit befand und die Behandlung bekam, die er brauchte? Vielleicht war es ja ein gutes Zeichen. Vielleicht hatte die CIA Sarah gefunden, und die beiden befanden sich bereits unter ärztlicher Betreuung auf dem Heimflug.
Aber wenn dem wirklich so war, hätte Mac bestimmt angerufen. »Wohin haben sie ihn gebracht?«
»Das hat man uns nicht gesagt, Madame. Es geht uns ja auch nichts an. Sobald Monsieur das Krankenhaus verlassen hatte, war der amerikanische Arzt für ihn verantwortlich.«
»Ein amerikanischer Arzt war bei ihm? Wer?«
»Er kam mit dem Wachmann her. Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen das nicht gleich gesagt habe. Monsieur ist sicher in besten Händen.«
Liz bedankte sich bei der Schwester und ging. Nun stellte sich ihr die Frage, wie sie vorgehen sollte. Selbst wenn Sarah in Sicherheit war, musste sie weiter nach dem Erpresser und den Aufzeichnungen suchen. Aber zumindest
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