Der Nautilus-Plan
Probleme zu lösen, als mit Gewalt. Damit beschäftige ich mich sehr intensiv.« Sie wechselte das Thema. »Was wirst du tun, wenn du bei dem Baron warst?«
Er dachte kurz nach und schien schließlich einen Entschluss zu fassen. »Das hängt davon ab, was ich rausfinde.« Er zog sein Hosenbein hoch und steckte die Pistole in ein Wadenholster.
»Oder ob du etwas herausfindest.« Spionage war sowohl eine Kunst als auch harte, mühsame Arbeit, aber sie spürte, dass er ihr auswich. »Simon, warum schicken sie dich nach Florenz?«
»Italien ist wirklich eine Art Urlaub.« Er grinste. »Unter sanftem Zwang.«
Liz erwiderte sein Lächeln und ließ sich nicht anmerken, dass ihr plötzlich etwas klar geworden war. Genau das war seine Masche. Simon benutzte seine Jungenhaftigkeit und Impulsivität, die manchmal an Arroganz grenzte, um anderen gegenüber den Eindruck zu erwecken, er sei nicht ganz für voll zu nehmen. In Wirklichkeit hatte er jedoch wesentlich mehr Substanz und Durchsetzungsvermögen, als er durchblicken ließ.
»Dann würde ich vorschlagen, du schlägst dir Paris aus dem Kopf und fährst nach Italien«, sagte sie. »Wenn sie beim MI6 nichts von den Aufzeichnungen des Carnivore wissen und du sie uns auf den Hals hetzt, könnte das die Sache nicht nur für dich komplizierter machen, sondern auch für mich. Und das wiederum könnte zur Folge haben, dass wir den Erpresser und die Aufzeichnungen nie kriegen.«
»Mit meinem Boss werde ich schon fertig«, sagte er leichthin, während er sich insgeheim fragte, ob sie mit den Problemen fertig würde, die sie hatte.
»Genau deswegen mache ich mir Sorgen. Immer dieser Leichtsinn und dieser Übermut. Da fällt es einem schwer zu glauben, dass du weißt, was du tust. Kann man sich auf dich verlassen? Oder begibst du dich auf so einen bescheuerten Ego-Trip, um irgendeine Jugendsünde wieder gutzumachen?«
Über seine Züge huschte Ärger. »Moment mal. Du bist hier der Amateur. Wenn du nicht mit mir zusammenarbeiten willst, prima. Ich bin mir sowieso nicht sicher, ob du überhaupt noch was beizusteuern hast. Aber wenn du das glaubst, würde ich gern mit dir in Verbindung bleiben.« Und ihr wieder helfen, falls nötig.
Sie dachte nach. Er hatte sich bei ihrer Flucht aus dem Lagerhaus als einfallsreich erwiesen und war auch bei Jimmy Unak geschickt vorgegangen. Er hatte sich eine raffinierte Möglichkeit einfallen lassen, den maskierten Killer auszuschalten. Alles in allem hatte sein Verhalten keinerlei Anlass gegeben, an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln. Und falls sie es sich irgendwann anders überlegen sollte, brauchte sie ihm ja nicht zu sagen, was sie herausgefunden hatte.
»Einverstanden«, sagte sie deshalb. »Aber wir brauchen für unseren Nachrichtenaustausch unbedingt einen toten Briefkasten. In der Rue de Bassano, nicht weit von den Champs-Elysées gibt es ein Restaurant. Es heißt Chez Paul – am Arc de Triomphe. Auf der anderen Straßenseite ist ein Parkhaus mit einer Telefonzelle davor.«
»Ich kenne die Gegend, aber an die Telefonzelle kann ich mich nicht erinnern.«
»Du wirst sie bestimmt finden. Sie ist geradezu ideal für solche Zwecke. Eine junge Frau, eine Dichterin, hinterließ dort Nachrichten für einen älteren Mann, den sie jeden Tag im Chez Paul frühstücken sah. Sie war arm und zu schüchtern, um ihn anzusprechen. Deshalb steckte sie immer wieder anonyme Nachrichten zwischen die Telefonzelle und die Wand des Parkhauses, ohne damit zu rechnen, dass er sie jemals lesen würde. Dann begann sich auch der Mann für sie zu interessieren und beschloss eines Tages, an der Telefonzelle auf sie zu warten. Doch dann sah er sie einen Zettel dahinter verstecken. Das weckte seine Neugier, und er entfernte sich wieder, ohne sie anzusprechen. Später kam er aber noch einmal zurück, um nach dem Zettel zu suchen. Er fand ein ganzes Dutzend davon.«
»War er ein Agent?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ein Verleger. Als er die Zettel zusammensetzte, merkte er, dass sie Teil eines langen Gedichts an einen unerreichbaren Geliebten waren. Es trug den Titel ›Im falschen Herz‹ und …«
Er zitierte: »›Wir sind allein in einem Glas, einer Luftblase, einer Träne.‹ Jetzt erinnere ich mich an die Geschichte. Sie verliebten sich, sie schrieb das Gedicht zu Ende, und er veröffentlichte es.«
»Ja, genau. Jedenfalls hinterlassen sich die Pariser dort seitdem Nachrichten. Das soll Glück bringen. Du weißt ja, wie das mit den Franzosen und
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