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Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
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spazierenzugehen. Die Stadt brütete unter der Sabbatsonne, Häuser und Straßenpflaster reflektierten Sonnenlicht und die Bäume am Straßenrand schienen zu schwitzen. Wir fuhren durch die König-Georgstraße,schoben uns zum Mugrabiplatz durch, erreichten etwas später die Dizengoffstraße, gekennzeichnet durch ihre Kaffeehäuser und die kleinen putzigen Pudel.
    Ich konnte ›das Bild‹ nicht loswerden. Hanna in einer Zwangsjacke. Versuchte an Hannas magere Schenkel zu denken ... verspürte Ekel.
    »Eine mit einem fetten Arsch«, sagte ich zu meinem Taxichauffeur. »So eine will ich heute ficken!«
    »Dann fahren wir in die falsche Richtung«, sagte mein Taxichauffeur. »Im Hotel ›Königin Saba‹ sind nur schlanke Huren.«
    »Schlanke?«
    Mein Taxichauffeur nickte. »Schlanke. Jawohl. Woll te Ihnen die dürre Zippora empfehlen. Die hab ich selber mal gehabt. Wenn die sich bewegt ... da klappern die Knochen.«
    Ich sagte: »Das ist nichts für mich. Kennen Sie nicht ein anderes Bordell, wo Huren da sind, bei denen was dran ist?«
    »Nicht in Tel Aviv«, sagte mein Taxichauffeur. »Höch stens in Jaffa.«
    Wir fuhren nach Jaffa. Hotel Abdulla! »Die dicke Fatma wird Ihnen gefallen«, sagte mein Taxichauffeur. »Die hab ich auch mal gehabt.«
    »Fetter Arsch?«
    »Und was für einer!« sagte mein Taxichauffeur. »Rund wie ein Vollmond. Zartbraun. Zwei Warzen als Zugabe, eine links, eine rechts. Da ist was dran. Die hat auch lange und fette und schwitzende Brüste. Die können Sie zwi schen den Brüsten ficken, wenn Ihnen das Spaß macht!«
    Tel Aviv riecht am Samstag nach Sonnenlicht, Blumen und Bäumen, nach Staub, nach Villen und hellen Häu sern, nach gutem und schlechtem Parfüm, nach frischgewaschenen Pudeln, nach Kaffee, Schlagsahne, internationalem Gebäck, Sodawasser, Fruchtsaft, Kellnerschweiß, gepuderten Füßen, gepuderten Achselhöhlen, gepuderten Schenkeln und gepuderten Geschlechtsteilen, nach Kapitalismus und Sozialismus, nach Mittelmeer und Salzluft. Natürlich auch nach Rasierwasser, Damen- und Herrenschuhen und nach so manchem mehr. Kurz: es riecht wie Beth David, obwohl Beth David kleiner ist.
    In Jaffa sind die Gerüche anders. Hier ist die frische Meeresluft mit dem Gestank von Abfällen vermischt. Hier riecht es nach kranken Katzen, räudigen Hunden, morschen Häusern, nach gebratenen Fischen und Hammelfleisch, nach türkischem Kaffee und Arrak, nach Pfeffer, Nüssen, Halva, Schweißfüßen, Syphilis, Fliegen, Schmutzwäsche, Kleinkindern, Klosetts und nach so manchem mehr.
    Als wir vor dem Hotel Abdulla anlangten, war mir übel. Ich stieg nicht gleich aus. Meine Froschaugen regi strierten: eine schmale Gasse mit hohen, altersschwachen, fleckigen Häusern, runden Torbögen, ein alter Brunnen mitten auf der Gasse ... Menschengewimmel auch hier: zerlumpte Kinder, vermummte Frauen und nicht vermummte, Männer in hellen und dunklen Gewändern. Araber. Vor dem Hotel Abdulla - auf dem Trottoir - saßen Männer im Halbkreis, rauchten Wasserpfeifen und tranken Türkischen aus kleinen, runden Tassen. Einige von ihnen hatten Keffise auf dem Kopf, manche gestickte, bunte Käppis. Sie starrten feindselig auf unser Taxi. Ich zündete mir eine Zigarette an und lehnte mich zum Fenster hinaus. Stelle tiefsinnig fest: dieselbe Sonne wie über Tel Aviv. Nur malt der Sonnenpinsel die Farben hier anders.
    Mein Taxichauffeur sagte hustend: »Gestern wurden zwei Juden in Jaffa ermordet. Haben Sie's in der Zeitung gelesen?"
    Ich sagte: »Ja.«
    »Haben Sie einen Revolver in der Tasche?«
    Ich sagte: »Nein.«
    Der Taxichauffeur grinste: »Dann würde ich Ihnen nicht raten, allein ins Hotel Abdulla zu gehen.«
    »Sie glauben also, daß mir was passieren könnte! Oder zustoßen!«
    »Ein Messer im Rücken«, sagte der Taxichauffeur! Oder: durchschnittener Hals! Kann man schwer voraussagen. Das eine oder das andere.«
    Mein Taxichauffeur bat um eine Zigarette. Ich gab ihm eine.
    »Ihnen ist doch auch nichts passiert... als Sie bei der dicken Fatma waren?«
    »Das ist schon lange her. Damals war die politische Lage anders.«
    Ich hatte mich auf die dicke Fatma gefreut, hatte schon in Gedanken ihren Riesenhintern gesehen und die schwitzenden Brüste ... und mein eigenes Glied, das normale, erweckt und steif und zitternd ... hatte schon zu mir gesagt: »Itzig Finkelstein. Du hast lange keine Frau gehabt. Und heute ist Sabbat. Und am Sabbat soll ein Jude kein Auto fahren! Aber du fährst ja nur dann, wenn's unbedingt

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