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Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
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von Tewje, dem Milchmann. Fragte mich: Warum haben die Sommervö gel das nicht bekleckst? Ging dann weiter.
    Schmuel Schmulevitch empfing mich im Morgen rock. Seine Frau schlief noch. Ich ließ mich zu einem zweiten Frühstück einladen und erzählte ihm dabei kurz von dem Engländer und auch von meinem Gespräch mit dem Kellner im Cafe Trumpeldor.
    Schmuel Schmulevitch überlegte lange, sagte dann: »Der Kellner hat recht, Herr Finkelstein. Jankl Schwarz hängt keinen Engländer im Hinterhof auf."
    »Ich hab den Engländer aber gesehen, Herr Schmulevitch . Hab ihn sogar ein bißchen geschubst.«
    »Dann gibt es nur eine einzig mögliche Erklärung, Herr Finkelstein.«
    »Und die wäre?«
    »Waren irgendwelche Haken oder Häkchen an Ihrem Fenster angebracht?«
    »Ja, Herr Schmulevitch. Hab unlängst Wäsche aufge hängt, und da hab ich zwei solide Haken angebracht.«
    »Ist Ihr Fenster das einzige im Hinterhof, das Haken hat?«
    »Ich glaube ja, Herr Schmulevitch.«
    Schmuel Schmulevitch schob mir noch ein Brötchen zu, auch Butter und Marmelade, goß mehr Kaffee ein, beobachtete, wie ich das Brötchen verschlang, auch die Butter und die Marmelade, den Kaffee austrank.
    »Deutsches Frühstück?«
    »Ja. Das hat meine Frau so eingeführt.«
    Schmuel Schmulevitch bot mir eine Zigarette an, aber ich lehnte ab. »Ich rauche nicht am Schabbat, Herr Schmulevitch.«
    »So? Ich wußte nicht, daß Sie fromm sind, Herr Finkelstein.«
    »Ich bin nicht fromm, Herr Schmulevitch.«
    »Und warum rauchen Sie nicht am Schabbat?«
    »Aus Tradition, Herr Schmulevitch.«
    »Dann fahren Sie auch nicht am Schabbat, Herr Finkelstein?«
    »Im allgemeinen nicht, Herr Schmulevitch. Nur, wenn ich muß. In dringenden Fällen. Rauchen muß man nicht. Disziplinsache. Weiter nichts.«
    Schmuel Schmulevitch nickte. Ich sah: Er wollte sich eine anstecken ... eine Zigarette ... aber er unterdrückte diesen Wunsch ... ich nehme an: aus Pietät. Er wollte mich nicht verletzen.
    »Ich nehme an, daß Sie aus einem frommen Elternhause kommen, Herr Finkelstein?«
    »Ja. Meine Eltern waren fromme Leute.«
    »Meine auch«, sagte Schmuel Schmulevitch. »Aber ihre Frömmigkeit hat ihnen nichts genützt.«
    Ich fragte: »Auschwitz?«
    »Nein. Für Auschwitz waren die zu alt. Die sind noch 1903 ums Leben gekommen. Rußland. Die Pogro me! - Aber um auf Ihren Engländer zurückzukommen, Herr Finkelstein ... So stelle ich mir die Sache vor: Jankl Schwarz hat den Engländer kurz vor Tag erwischt ... ich meine ... er und seine Leute. Haben ihn dann zur Dritten-Tempel-Straße geschleppt, um ihn dort plangemäß aufzuhängen ... wie Ihr Kellner ganz richtig sagte: am höchsten Baum. Aber das klappte nicht. Sie verstehen, Herr Finkelstein ... die englischen Patrouillen auf der Straße ...«
    »Ja. Ich kann mir ein Bild davon machen.«
    »Er und seine Leute liefen einer englischen Patrouille in die Arme. Im letzten Augenblick ... retteten sie sich in einen Hinterhof, in den nächstbesten.«
    »Meinen Hinterhof?«
    »Richtig. Der Hinterhof des Hotels Beth David. Wollten dort abwarten, bis die Luft rein war. Sahen Ihr Fenster. Sahen die beiden Haken. Und hängten den Engländer vorläufig mal dort auf.«
    »Logisch, Herr Schmulevitch.«
    »Ließen ihn dort eine Weile hängen. Sagen wir: eine halbe Stunde. Sozusagen vorübergehend. Und da ... sind Sie, Herr Finkelstein ... gerade erwacht! Sie sahen den Engländer, schlurften zum Fenster und versetzten dem Engländer einen leichten Stoß. Ja. So war das. Und daß der Engländer dort nur vorübergehend hing, das wußten Sie nicht, konnten Sie auch nicht wissen.«
    »Nein. Das wußte ich nicht."
    »Inzwischen hängt er längst in der Dritten-Tempel-Straße.«
    »Das versteh ich nicht.«
    »Ist doch ganz einfach«, sagte Schmuel Schmulevitch. »Fangen wir nochmal von vorne an. Jankl Schwarz und seine Leute haben den Engländer vorübergehend in einem Hinterhof aufgehängt. Dann ... als die Luft rein war, haben sie ihn losgehakt ... in die Dritte-Tempel- Straße geschleppt und nochmals aufgehängt.«
    »Am höchsten Eukalyptusbaum?«
    »Am höchsten Eukalyptusbaum.«
    »Wegen der Weltpresse? Damit der Vorfall nicht übersehen wird?«
    »Stimmt.«
    »Dann hängt er also nicht mehr vor meinem Fenster?«
    »Darauf können Sie Gift nehmen. Der ist längst weg.«
    »Dann brauche ich mir also keine Sorgen zu machen?«
    »Brauchen Sie nicht, Herr Finkelstein.«
    Schmuel Schmulevitch und ich begaben uns nach dem Frühstück in meinen

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