Der Nazi & der Friseur
auch nichts von den unruhigen Grenzen erzählt! Und den arabischen Terroristen, die nachts über die Grenzen kommen. Oder von den Minen. Und von den Schüssen im Hin terhalt. Ruhig ist's hier nicht. Aber schön ist es hier. Ich habe dieses Land wachsen sehen. Und ich liebe dieses Land. Und ich liebe die blau-weißen Bänke.
Im Frühjahr 1967 roch es bereits nach Krieg. Noch war es nicht soweit. Aber irgendwas lag in der Luft. Das kannte ich ja.
»Itzig Finkelstein«, sagte ich zu mir. »Die großen arabischen Staaten führen was im Schilde. Und auch die kleinen. Stehen hinter den Flüchtlingsbaracken . Wollen unser Land. Benützen die Flüchtlingsbaracken als Vorwand. So ist das. Und hinter den Flüchtlingsbaracken und hinter den großen und kleinen arabischen Staaten ... da steht die Sowjetunion. Und die will uns alle verschlucken. Und das sieht nicht gut aus. Gar nicht gut.«
Trotzdem hatte ich andere Sorgen. Meine Mira ist ganz plötzlich schwanger geworden. Was sagen Sie dazu? Nach so vielen Jahren! Nach einer kinderlosen Ehe! Und plötzlich: das!
Wir gingen zum Arzt. Der fragte: »Wie alt ist Ihre Frau?« Ich sagte: »50. Oder 48! Weiß das nicht genau.«
Und Mira sagte: »45.«
Und ich sagte zum Arzt: »Zum Teufel. Was fragen Sie eine Frau, wie alt sie ist. Das ist doch egal. Schwanger ist sie. Basta!"
Für Mira und mich bestand kein Zweifel: das konnte nur ein Sohn werden! Und wir beschlossen - Mira und ich - ihn, unseren Sohn, Judas zu nennen, so wie Judas Makkabäus, der große jüdische Freiheitskämpfer. Mira sagte dann noch: »Oder Jehuda! Das klingt besser!« Und daraufhin sagte ich: »Na schön. Oder Jehuda!«
Ich erzählte Mira schmunzelnd von der Geburtsan zeige anno 1907, als ich, Itzig Finkelstein, zur Welt kam, erzählte ihr von jener einmaligen Geburtsanzeige, die mein Vater, der Chaim Finkelstein, mir zu Ehren in der ›Jüdischen Rundschau‹ aufgegeben hatte, sagte zu Mira: »Wir müssen das auch machen! Zu Ehren unseres Soh nes Judas oder Jehuda!« sagte: »Und die können wir schon jetzt entwerfen!«
»Ist das nicht ein bißchen zu früh, Itzig?«
Ich sagte: »Nein. Wichtige Dinge müssen vorbereitet werden!«
Machte mich gleich an die Arbeit, war voller Vorfreude, im Vorgefühl meiner Vaterschaft, entwarf die Geburtsanzeige, die so ähnlich war oder lautete wie jene von anno 1907:
»Ich, Itzig Finkelstein, Friseur, Besitzer des einge führten Friseursalons ›Der Herr von Welt‹, ehemaliges Mitglied der Schwarzgruppe, Haganahsoldat, Sergeant der Israelarmee, Veteran vom Jahre 48, erster jüdischer Soldat, der an der Spitze seiner Leute am 30. Dezember 1948 den Suezkanal erreichte, Präsident des Tierschutz vereins von Beth David, Präsident der örtlichen Anti-wiedergutmachungsliga, Erfinder des berühmten Haar wuchsmittels ›Samson V 2‹, erlaube mir, die Geburt meines Sohnes und Nachfolgers Judas oder Jehuda Fin kelstein bekanntzugeben.«
Ich entwarf dann auch gleich die Antwort der Bürger von Beth David, die ich dem Bürgermeister DanielRosenberg - der ist nämlich inzwischen Bürgermeister geworden - rechtzeitig überreichen würde. Sie lautete: »Wir, die Bürger von Beth David, sind glücklich, dem Herrn Friseur Itzig Finkelstein, ehemaliges Mitglied der Schwarzgruppe, Haganahsoldat, Sergeant der Isra elarmee, Veteran vom Jahre 48, erster jüdischer Soldat, der an der Spitze seiner Leute am 30. Dezember 1948 den Suezkanal erreichte, Präsident des Tierschutzvereins von Beth David, Präsident der örtlichen Antiwiedergutmachungsliga, Erfinder des berühmten Haar wuchsmittels ›Samson V 2‹, zur Geburt seines Sohnes und Nachfolgers Judas oder Jehuda Finkelstein herzlich zu gratulieren."
5.
Und dann kam der Krieg. Ein Krieg, der so schnell vor bei war, wie der im Jahre 56. Das ging im Handumdrehen.
Wollte natürlich zur Front. Hab zu mir gesagt: »Itzig Finkelstein. Deine Frau ist schwanger. Und sie wird dir einen Sohn schenken. Und der soll mal stolz auf dich sein. Denn das ... Itzig Finkelstein ... ist ein wichtiger Krieg. Und den mußt du noch mitmachen. Das ist die Dritte Entscheidungsschlacht. Und aller guten Dinge sind drei. Und es geht um viel mehr. Es geht um die blau-weißen Bänke. Und es geht um die alten historischen Grenzen, die weit weg sind von unseren Grenzen. Und es geht um Jerusalem. Es geht um die alte Stadt. Denn dort, in der alten Stadt, dort steht die Klagemauer! Die letzten Reste des Großen Tempels, die heiligste Stätte des Judentums!«
Und
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