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Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
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verstehen ... zum Schaufeln der Gräben, Leichenverbrennung, Latrinen- und Barackenreinigung und was weiß ich noch. Die brauchten sicher auch Leute in der Lager küche!
    Ich stelle mir also vor:
    Max Schulz sieht den Itzig Finkelstein. Entdeckt ihn plötzlich unter den neu angekommenen Gefangenen.
    Max Schulz macht seine Vorgesetzten auf Itzig Finkelstein aufmerksam, sagt zu ihnen: ›Der sieht kräftig aus! Der kann noch arbeitend - Und einer seiner Vor gesetzten sagt: ›Ja. Holen Sie den Kerl aus der Gruppe raus!‹«
    »Und dann? Was geschah dann?«
    »Itzig Finkelstein wird in der Lagerküche beschäftigt. Max Schulz besucht ihn oft und redet mit ihm. Sie waren ja mal Freunde.
    Das fällt den anderen SS-Leuten auf. Einer seiner Kameraden sagte eines Tages: ›Paß auf, Max. Red nicht soviel mit dem Juden. Judenfreunde werden an die Front geschickt!‹
    Max Schulz will sich reinwaschen. Irgend etwas muß er tun!
    Max Schulz erschießt Itzig Finkelstein! Aber nicht von vorne, sondern von hinten!«
    »Und warum von hinten, Herr Finkelstein?«
    Ich sagte: »Wegen der Augen!«
    Der Richter hielt mich für einen Schwätzer. Wir redeten noch eine Weile. Dann nickte der Richter ein. Später kam Mira ins Wohnzimmer, weckte ihn auf, sagte: »Herr Amtsgerichtsrat. Es ist nach 10. Und wir sind bürgerliche Leute. Wir gehen früh schlafen. Und mein Mann muß morgen früh schon zeitig in den Friseursalon.«
    Ich begleitete den Richter ein Stückchen. Reine Höflichkeit. Beim Abschied fragte der Richter: »Hatten wir damals wirklich um eine Flasche Champagner gewettet ... auf dem Schiff ... vor mehr als 20 Jahren?«
    Ich sagte: »Ja. Wenn Sie den Fall Max Schulz aufklären.«
    »Seltsam, daß ich das vergessen hatte. Man wird eben alt.«
    Ich sagte: »So ist das.«
    Der Richter fragte: »Und gilt die Wette noch immer?«
    Ich sagte: »Selbstverständlich."
7.
    Der Richter hatte sich lange nicht blicken lassen. Eines Tages kam er triumphierend in meinen Friseursalon. Sagte: »Herr Finkelstein. Jetzt will ich meine Flasche Champagner. Ich hab's nämlich rausgekriegt!«
    Ich fragte: »Was denn?«
    Sagte zu mir: »Den Aufenthalt von Max Schulz. Und warum die Presse seit Jahren schweigt!«
    Ich rasierte gerade den Herrn Bürgermeister Daniel Rosenberg, rasierte, mußte aufpassen, durfte nicht mit den Händen zittern, zitterte aber, machte einen klaren Schnitt unterm Kinn ... ein Glück, daß es nicht die Schlagader war ... ließ mein Messer fallen, hob es wieder auf, entschuldigte mich, sagte: »Eine Kreislaufstörung.«
    Die Sache war einfach so:
    Amtsgerichtsrat Wolfgang Richter ist ein Mann, der sich langweilt, der nicht mehr arbeitet, keine anständige Beschäftigung hat, von einer Rente und Wiedergutmachungsgeldern lebt, kurz: ein Mann, der Zeit hat, Zeit genug, um langweilige Briefe zu schreiben ... Briefe an die Behörden. Die zuständigen Behörden, ... zuständig für die Verfolgung flüchtiger Massenmörder!
    Ob er was erreicht hat, der Herr Amtsgerichtsrat Wolf gang Richter? Natürlich hat er was erreicht.
    Er hat den Fall aufgeklärt!
    Resultat der Bemühungen des Amtsgerichtsrat Wolfgang Richter:
    Max Schulz ist tot! Seine Leiche wurde am 2. Juni 1947 von den polnischen Behörden geborgen! Es gelang Amtsgerichtsrat Wolfgang Richter sogar, einen Zei tungsartikel aufzutreiben, datiert vom 10. Juni 1947, der kurz und sachlich über den Tod des Max Schulz berich tete! Ein Artikel in einer kleinen deutschen Provinzzei tung: ›Warthenauer Stadtanzeiger‹! Anscheinend die einzige Zeitung, die meinen Tod für wichtig hielt, wich tig genug, um etwas zu berichten.
    Ich habe den Artikel gelesen: Ich, Max Schulz, bin im Winter 1945 im polnischen Wald erfroren! Meine Leiche wurde von polnischen Bauern gefunden ... in der Nähe des Waldabschnitts, wo einst ein Partisanenüber fall auf eine LKW-Kolonne mit flüchtenden SS-Leuten stattgefunden hatte, einige Kilometer von Laubwalde entfernt ... ein ehemaliges KZ. Die polnischen Bauern, die mich fanden, schnitten meinen Kopf ab. Und mein Geschlechtsglied. Nahmen mir die Stiefel weg. Und Geld und Papiere und was ich sonst noch bei mir hatte, verbrannten, was sie nicht brauchten, ließen mir aber die Uniform!
    Unerhört, sowas! Haben den Vorfall nicht mal gemeldet, die Bauern. Meldeten ihn erst im Juni 1947, als Holzfäller meine Leiche entdeckten, schon verwest. Und ohne Kopf. Und ohne Schwanz. Und ohne Stiefel. Und ohne Papiere. Aber in Uniform!
    Sie können es mir glauben. Ich werde

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