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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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ge­sagt, daß Sie le­ben.“
    „Wie hat sie rea­giert?“
    „Hef­tig ge­weint na­tür­lich. Das ist ein ge­sun­des Sym­ptom. Sie kön­nen ei­ne hal­be Stun­de blei­ben, wenn Sie sie nicht zu sehr auf­re­gen.“ Kear­nes gab ihm die Zim­mer­num­mer und ging zu­rück in sein Bü­ro.
    Co­rinth nahm den Fahr­stuhl und ging durch einen lan­gen Kor­ri­dor, der nach re­gen­feuch­ten Ro­sen duf­te­te. Als er Shei­las Zim­mer er­reich­te, stand die Tür of­fen, er zö­ger­te einen Mo­ment und warf einen Blick hin­ein. Es glich ei­ner Lau­be in ei­nem Wald: Far­ne und Bäu­me und das lei­se Ge­zwit­scher von Vö­geln; ir­gend­wo rausch­te ein Was­ser­fall, und in der pri­ckeln­den Luft hing der Ge­ruch nach Er­de und Laub. Das meis­te da­von war Il­lu­si­on, nahm er an, aber wenn sie sich dar­in wohl­fühl­te …
    Er trat ein und nä­her­te sich dem Bett, das am Ran­de ei­ner son­ni­gen Wie­se zu ste­hen schi­en. „Hal­lo, Lieb­ling“, sag­te er.
    Das Selt­sams­te an al­lem war, daß sie sich nicht ver­än­dert hat­te. Sie sah aus wie an dem Tag, als sie ge­hei­ra­tet hat­ten: jung, hübsch und ge­sund, ihr Haar um­rahm­te ein Ge­sicht, das im­mer noch ein we­nig bleich war, ih­re Au­gen leuch­te­ten auf, als sie zu ihm auf­blick­te. Das wei­ße Nacht­hemd ließ sie sehr jung, fast kind­lich er­schei­nen.
    „Pe­te“, sag­te sie.
    Er beug­te sich über sie und gab ihr einen sanf­ten Kuß. Sie er­wi­der­te ihn ir­gend­wie zu­rück­hal­tend, als käme er von ei­nem Frem­den. Als ih­re Hän­de sein Ge­sicht strei­chel­ten, be­merk­te er, daß sie kei­nen Ehe­ring mehr trug.
    „Du lebst“, sag­te sie, als sei sie dar­über ver­wun­dert. „Du bist zu­rück­ge­kehrt.“
    „Zu dir, Shei­la.“ Er setz­te sich ne­ben sie auf das Bett.
    „Sie schüt­tel­te den Kopf. „Nein.“
    „Ich lie­be dich“, sag­te er in sei­ner Hilf­lo­sig­keit.
    „Ich ha­be dich auch ge­liebt.“ Ih­re Stim­me war im­mer noch sehr lei­se und sehr weit fort, und er sah die Ver­träumt­heit in ih­ren Au­gen. „Dar­um ha­be ich es ge­tan.“
    Er nahm sich zu­sam­men, kämpf­te um sei­ne Be­herr­schung. In sei­nem Kopf dröhn­te es.
    „Ich er­in­ne­re mich nicht sehr gut an dich, weißt du“, sag­te sie. „Ich glau­be, mein Ge­dächt­nis wur­de auch ge­schä­digt. Es scheint al­les Jah­re zu­rück­zu­lie­gen, und du bist wie ein Traum, den ich einst lieb­te.“ Sie lä­chel­te. „Wie ma­ger du bist, Pe­te! Und ir­gend­wie hart. Al­le sind so hart ge­wor­den.“
    „Nein“, wi­der­sprach er. „Sie ma­chen sich al­le Sor­gen um dich.“
    „Aber nicht so wie frü­her. Nicht so, wie ich es kann­te. Und du bist nicht mehr Pe­te.“ Sie setz­te sich auf und sprach et­was lau­ter. „Pe­te ist ge­stor­ben wäh­rend der Ver­än­de­rung. Ich ha­be ihn ster­ben se­hen. Du bist ein lie­ber, net­ter Mann, und es tut mir weh, dich zu se­hen, aber du bist nicht Pe­te.“
    „Bit­te reg dich nicht auf“, flüs­ter­te er.
    „Ich konn­te dir nicht mehr fol­gen“, sag­te sie, „und ich woll­te dir – oder mir – die­se Last nicht auf­bür­den. Jetzt bin ich zu­rück­ge­gan­gen – und du ahnst nicht, wie wun­der­voll es ist. Ein­sam, aber wun­der­voll. Es liegt Frie­den dar­in.“
    „Ich brau­che dich noch im­mer.“
    „Nein. Bit­te lüg mich nicht an. Es ist nicht nö­tig, ver­stehst du!“ Shei­la lä­chel­te ihn über Jahr­tau­sen­de hin­weg an. „Du kannst hier ru­hig mit un­be­weg­tem Ge­sicht sit­zen – nein, du bist nicht Pe­te. Aber ich wün­sche dir al­les Gu­te und viel Glück.“
    Da wuß­te er, was sie brauch­te, und er gab sei­ne Be­herr­schung auf, entließ sich aus der neu­en Selbst­kon­trol­le. Er knie­te sich ne­ben das Bett und wein­te, und sie trös­te­te ihn, so gut sie es ver­moch­te.

 
20
     
    Mit­ten im Pa­zi­fik, ganz in der Nä­he des Äqua­tors, liegt ei­ne In­sel, weit ent­fernt von der Welt des Men­schen. Die al­ten Schif­fahrts­rou­ten und spä­ter auch die der Flug­li­ni­en ver­lie­fen jen­seits ih­res Ho­ri­zonts, und das Atoll war der Son­ne, dem Wind, dem Ge­schrei der Mö­wen über­las­sen ge­we­sen.
    Ei­ne kur­ze Zeit hat­te es auch den Men­schen ken­nen­ge­lernt. Die lang­sa­me, blin­de Ge­duld der

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