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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Aber diese
Abbildungen verwirrten sie. Straßen. Was genau waren »Straßen«? So etwas wie
Gänge, Treppen und Korridore?
    Uhl saß immer noch erstarrt
da. Sallie war mit einem Mal zu ungeduldig, um zu warten. Sie blätterte noch
einmal in dem Buch herum, das auf ihrem Platz lag, und dann rüttelte sie an
Uhls Schulter. »Hallo«, sagte sie. »Uhl, bitte. Du musst mir etwas erklären, es
ist dringend!« Er klapperte mit den Lidern und grummelte: »Was? Was? Was ist
los?«
    »Die Katzenkönigin«, sagte
Sallie ungeduldig. »Sie und der Nebelkönig waren Freunde. Das stimmt doch,
oder?« Uhl riss die Augen auf. »Wer erzählt denn so was? Das ist doch ganz
falsch, ganz und gar gelogen! Die Katzenkönigin hat sich niemals, nie ...« Er
rang nach Luft. »Nie und niemals mit dem bösen König eingelassen. Das ist
Verleumdung und üble Nachrede!«
    Sallie legte eine Hand auf
seine aufgeregt flatternden Hände. »Schhhh«, machte sie begütigend. »Reg dich
doch nicht so auf, Uhl. Aber in diesem Buch hier steht es so geschrieben.«
    Er riss ihr das Buch aus der
Hand, starrte mit wildem Blick darauf und krächzte: »Wer hat dir das gegeben?«
    Sallie wich ein wenig zurück.
»Niemand«, log sie, ohne zu wissen, warum sie ihm nicht einfach die Wahrheit
sagte. »Ich habe es aus einem Regal genommen.«
    »Habe ich dir nicht untersagt,
deine Lektüre selbst zu wählen?«, schimpfte der Bibliothekar. »Du dürftest dich
hier überhaupt nicht allein aufhalten. Hier stehen viele Bücher, die nicht gut
sind für ein junges Mädchen. Gar nicht gut!« Er hielt das Buch eng an seine
Brust gepresst. »Das hier ist eins davon. Ein Machwerk. Ein übles, böses
Machwerk. Verleumdung und Gift in jeder Zeile. Pfui. Pfui!«
    Sallie starrte ihn groß an. So
aufgeregt hatte sie den alten Bibliothekar noch nie erlebt.
    »Es ist ja gut«, sagte sie.
»Bitte reg dich nicht auf. Ich tu es auch nie wieder, versprochen. Aber was in
diesem Buch steht ... Redzep sagt das auch.«
    Uhl schien bei ihren Worten
beinahe der Schlag zu treffen. »Redzep!«, kreischte er. »Du solltest ihn gar
nicht ... Das ist kein Umgang für dich!«
    »Er ist sehr nett«, murmelte
Sallie trotzig. »Sehr nett und traurig. Ich finde es schrecklich, dass er so
ganz allein dort unten im Keller leben muss.«
    Uhl stieß einen aufgebrachten
Schrei aus und sprang auf. »Du – du dummes Küken!«
    Sallie sah ihm sprachlos nach,
wie er davoneilte. Sie wartete noch eine Weile, aber Uhl kehrte nicht zurück.
     
    Am nächsten Morgen betrachtete
Sallie ihren inzwischen reichlich schmuddeligen Verband und entschied, dass es
an der Zeit war, erneut den Apotheker aufzusuchen.
    Als sie vor seiner Tür stand,
bemerkte sie ein leichtes Magengrummeln. Wie hatte Redzep ihn genannt – einen
schwarzen Vogel, einen Verräter? Was auch immer das zu bedeuten hatte, etwas in
ihr sträubte sich dagegen, dem Apotheker entgegenzutreten, und dieses
Widerstreben wurde durch Redzeps Worte noch verstärkt.
    Sallie holte tief Luft und
klopfte an. Sie hörte keine Antwort, aber nach einem kurzen Moment öffnete sich
die Tür. Sie trat ein und sah sich um. Es war niemand im Raum – aber wer hatte
sie eingelassen? »Hallo?«, rief sie beklommen.
    »Ich komme gleich, Sallie«,
hörte sie den Apotheker von nebenan rufen. Die Tür zum Nebenzimmer war fest
geschlossen.
    »Ui«, sagte Sallie
beeindruckt. »Das ist ein guter Trick!« »Was meinst du?«, fragte Meister
Korben, der bei ihren Worten hereinkam.
    »Wie Ihr die Tür geöffnet
habt. Und dass Ihr gewusst habt, dass ich es bin.«
    Er zuckte mit seiner runden
Schulter. »Das ist doch kein Kunststück, Sallie. Komm, zeig mir deine Hand.«
Sie hielt ihm die Hand hin, und er wickelte den Verband ab. »Sehr schön«, sagte
er. »Du hast gutes Heilfleisch.« Er zog sich einen Hocker heran, füllte eine
Schüssel mit Wasser und tauchte Sallies Hand ein, um sie zu waschen.
    »Das kann ich doch selbst tun,
Herr Korben«, sagte Sallie verlegen.
    Er fuhr fort, ihre Hand
behutsam zu reinigen, und beachtete ihren Protest nicht. Seine Brauen waren
zusammengezogen und er machte ein nachdenkliches, beinahe finsteres Gesicht.
    Sallie ließ also die Reinigung
über sich ergehen und auch das folgende Abtrocknen ihrer Hand, das mit einem
sauberen weißen Leinentuch geschah.
    »Kein Küchendienst«, sagte der
Apotheker, der bis dahin geschwiegen hatte. »Noch mindestens eine Woche. Du
hast doch sicher nichts dagegen, oder?« Er sah sie mit schräg gelegtem Kopf
prüfend

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