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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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schob es ihm hin, als wäre es vergiftet oder bissig. »Hast du es
gelesen?«
    Er zog es zu sich heran und
beäugte es. »Nein«, gab er zu und kratzte sich verlegen an der Nase. Dann fuhr
er mit dem gekrümmten Finger über seine Augen und seufzte. »Ich habe es
versucht, aber es wollte mir nichts sagen. Dieses Buch ist nur für deine Augen
bestimmt, Sallie. Die Katzenkönigin hat es mit einem starken Zauber belegt.«
    »Erzähl mir ...«, sagte Sallie
und unterbrach sich, weil ihre Gedanken durcheinandertanzten wie Funken.
»Erzähl mir von meiner Mutter.«
    Uhl riss die Augen auf. Tief
drinnen schien ein kleines gelbes Licht zu leuchten. »Deine Mutter? Aber ich
weiß doch nichts über deine Mutter.«
    Sallie musterte ihn
enttäuscht. »Warum? Sie war Küchenmädchen. Du musst sie doch gekannt haben.«
    Uhl hob die Schulten. »Ich
fürchte, ich kann dir nicht helfen. Weißt du, ich habe nicht gewusst, worauf
ich mich einlasse, als ich einwilligte hierherzukommen. Es gibt nicht mehr
viel, woran ich mich erinnern kann. Ich habe die Bücher ...« Er machte eine
Bewegung, als wollte er die Regale rundum umarmen.
    Sallie trommelte mit den
Fingern auf den Tisch. »Ihr habt eingewilligt.« Er nickte. »Wem hast du deine
Einwilligung gegeben?«
    Uhl räusperte sich, es klang
wie eine schlimme Halsentzündung. »Kind«, sagte er, »Kind, Sallie – ich weiß
nicht, ob es gut ist, wenn du mir diese Fragen stellst. Lies dein Buch, ich
bitte dich. Es wird deine Fragen beantworten.«
    Sie biss die Zähne
aufeinander. »Das tut es aber nicht. Uhl – wer ist die Katzenkönigin und warum
trage ich ihren Namen?«
    Der Bibliothekar verdrehte den
Kopf, bis er seinen eigenen Rücken betrachten konnte. Sallie tat vom Hinsehen
der Hals weh. »Das ist ein recht häufiger Name«, hörte sie ihn antworten. »Es
hat nichts zu bedeuten, Sallie.«
    Nein, wahrscheinlich hatte es
das nicht. Aber trotzdem störte sie dieses zufällige Zusammentreffen, wenn es
denn ein Zufall war.
    »Uhl«, versuchte sie es von
einer anderen Seite aus, »erzähle mir von Bardh, dem Wolf, und Sarah, der
Katzenkönigin. Wann ist das alles geschehen?«
    Uhl verdrehte den Kopf noch
ein wenig weiter, bis er sie über seine andere Schulter ansehen konnte. »Wie
lange mag das her sein?« Seine Augenlider sanken halb herunter. »Nun ja,
bestimmt schon eine ganze Weile. Die Katzenkönigin hat den Nebelkönig und seine
überlebenden Gefolgsleute eingesperrt und dann war erst einmal alles gut.«
    »Uhl!« Am liebsten hätte
Sallie vor Ungeduld ein Buch nach ihm geworfen. »Du musst das doch wissen! Du
hast all die Bücher darüber gelesen, stimmt es nicht?«
    »Mehr als das, ich war dabei.«
    Ihr verschlug es den Atem. »Du
warst ... aber warum gibst du mir dann Bücher zu lesen? Warum erzählst du mir
nicht einfach, wie es war? Du kennst also die Katzenkönigin und Bardh, den
Wolf?«
    Er ließ seinen Kopf wieder in
die normale Position zurückwandern und versenkte den krummen Schnabel in sein
Halsgefieder. »Hrrmmmm«, machte er undeutlich.
    »Bitte?«
    »Ich sagte, ich erinnere mich
nicht.« Der Bibliothekar reckte den Kopf und starrte sie an. »Ich weiß nur noch
das, was ich lese. Dieses Haus hier schluckt meine Erinnerungen. Es frisst sie
und lässt mich ganz leer zurück. Wenn ich nicht mein Buch hätte, das mir jeden
Tag sagt, was ich wissen muss, dann könnte ich mich gerade noch an meinen Namen
erinnern.« Er riss ein schmales, dunkelgrün eingebundenes Büchlein aus der
Schublade und warf es Sallie zu. Sie fing es auf und schaute neugierig hinein.
Unbeschriebene, gelblich schimmernde Seiten blätterten sich unter ihren Fingern
auf. »Das ist ja genau so ein Buch wie meins.«
    Der Bibliothekar nickte
betrübt. »Sie hat etwas geahnt«, sagte er, »und uns allen so ein Buch gegeben. Bis
auf ...«
    Sallie hob die Hand. »Warte.
Sie – die Katzenkönigin?«
    Uhl nickte.
    »Ihr alle – du und diese
rothaarige Frau, die du Kaltrina genannt hast, und der Mann, dessen Stimme ich
gehört habe, der noch bei euch war?«
    »Luan, ja.«
    Sallie legte die Hände vor die
Augen und stöhnte. »Luan und Kaltrina. Warum tust du so, als wären sie
Menschen?«
    Etwas seufzte, wie wenn man
Luft beiseitedrängte. »Weil sie Menschen sind«, sagte Uhl. Seine Stimme klang
tiefer und gleichzeitig ein wenig brüchig. Sallie ließ die Hände sinken und sah
ihn an. Er hatte wirres graubraunes Haar, ein faltiges Gesicht und kurzsichtige
Augen hinter einem Kneifer. Seine Nase war gebogen

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