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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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in der sie sich hätte verkriechen
können. Sallies Lungen brannten, sie bekam Seitenstiche und presste keuchend
ihre Hand auf die Seite, während ihre Füße immer schwerer und schwerer wurden.
Sie hörte, wie jemand heiser und keuchend ihren Namen rief und ihr befahl
stehen zu bleiben. Das brachte sie dazu, noch etwas schneller zu laufen, obwohl
ihr schon Funken vor den Augen tanzten. Über die Schulter zu schauen wagte sie
nicht, weil sie den Anblick der gelben, eisig fernen Wolfsaugen und des
zähnestarrenden Mauls nicht ertragen hätte.
    Dann sah sie die Rettung, die
sie gleichzeitig anzog und erschreckte: Ein lebensgroßer, böse grinsender
Wolfskopf zierte die einzige Tür in diesem endlosen Steinwurm von Gang. Es gab
keine andere Möglichkeit: Sallie rannte darauf zu und stieß ihre Hand in das
Maul des Wolfes. Sie spürte, wie die Zähne ihre Haut aufrissen, aber der
Schmerz bewirkte nur, dass der Schwindel verging und Wände aufhörten zu tanzen.
Weg hier, dachte Sallie verzweifelt. »Weg, weit weg. Bitte!«
    Ihr Verfolger, der inzwischen
wieder herannahte, beschleunigte seine klackenden, unregelmäßigen Schritte.
»Sallie, nein, warte!«, schrie er, aber schon hatte der leuchtende Wirbel des
magischen Transports Sallie erfasst und trug sie davon ins Nichts.
     
     
     
     
     
    11
     
     
    Schweben im weichen Grau.
Keine Schmerzen. Nichts, das Angst macht. Ruhe.
    Dann leise Stimmen. Wispern,
Raunen, Flüstern. Lichtschimmer, wie Lampenschein, der durch geschlossene
Augenlider dringt.
     
    Bilder. Eine Frau, die sich
umdreht und lacht. ZweiMänner an ihrer Seite, einer davon groß und ansehn-
    lich, der andere kleiner,
merkwürdig krumm.
     
    Ein kurzer Flug, ein Ruck. Ich
träume, dachte Sallie. Und wie manchmal im Traum war sie sie selbst und doch
jemand anders. Sie war kein Mädchen mehr, da waren keine rot gescheuerten
Hände, keine Holzpantinen. Sie war die Frau, die zwischen den beiden Männern
lief und mit ihnen scherzte.
    Ein seltsames und gleichzeitig
vertrautes Gefühl. Ich bin Sarah, dachte Sallie im Traum. Nicht die Sallie-Sarah.
Die große Sarah, die Katzenkönigin. Sie bewegte die Hüften und streckte die
Arme und lachte.
    »Gebt mir einen Spiegel«,
sagte sie. »Los, Männer, ich will wissen, wie ich aussehe.«
    »Nimm meine Augen als Spiegel,
schöne Sarah«, erwiderte der Größere.
    Der Kleinere lachte. »Bardh,
du bist und bleibst ein alter Süßholzraspler«, sagte er und hob die Hand, in
der aus dem Nichts ein silberner Spiegel erschien.
    Sarah-Sallie betrachtete sich.
Nussbraune Augen und kastanienbraunes Haar, ein rundes Gesicht mit einem
fröhlichen Mund, langen Wimpern und ein paar blassen Sommersprossen. Nicht
schön, aber hübsch anzusehen, kraftvoll und mit sprühendem Leben erfüllt.
    Wenn meine Mutter noch lebte,
sähe sie wohl so aus, dachte die träumende Sallie, von plötzlicher Sehnsucht
erfüllt.
    »Und, wirst du dich
wiedererkennen, wenn du dich das nächste Mal triffst?«, spottete der kleinere
Mann.
    Sarah-Sallie lachte und ließ
den Spiegel verschwinden. »Du unverbesserlicher Spottvogel! Auf jetzt, Rabe und
Wolf. Lasst uns die Welt erobern!« Sie hakte die beiden Männer unter und genoss
den Druck ihrer Arme und die Wärme, die von ihnen ausging.
    »Sallie«, sagte eine Stimme
drängend, doch sie wollte sich nicht stören lassen. Einer der beiden war ihr
Freund und der andere ihr Liebhaber, das wusste sie, wie man Dinge im Traum
weiß. Sie wollte die beiden Männer genauer betrachten, aber immer wieder schob
sich etwas zwischen ihren Blick und die Gesichter ihrer Begleiter. Nebel.
Grauer, weicher, schläfrig machender Nebel.
    »Sallie.« Die Stimme ließ
nicht ab, sie zu rufen.
    Geh weg, dachte Sallie, das
ist mein Traum und ich möchte ihn genießen. Es fühlt sich so gut an, endlich
erwachsen zu sein.
    »Sallie!« Der weiche,
einschläfernde Nebel zerriss. Sallie fand sich in der Funken sprühenden
Finsternis des Transportes wieder.
    Ich habe nach dir gerufen.
    Ich habe so schön geträumt. Was willst du?
    ER weiß, dass du hier bist. Wir haben keine Zeit mehr. Sallie
hätte gerne die Achseln gezuckt, aber in diesem seltsamen Zwischenreich gab es
nichts außer Gedanken und Erinnerungen. Also dachte sie Achselzucken.
    Lachen.
    Bist du meine Mutter? , fragte Sallie geradeheraus, denn dieser
Gedanke geisterte schon seit einiger Zeit durch ihren Kopf.
    Ich bin Sarah, die die Katzenkönigin genannt wird. Und du bist Sallie,
die ihren Freunden helfen muss, ihre Aufgabe

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