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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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zu erfüllen. Die
Katzenkönigin klang ungeduldig. ER weiß,
dass du hier bist. Er hat mit dir getanzt.
    Es war schrecklich , unterbrach Sallie die Stimme . Ich traue mich nicht zurück. Wo soll ich hingehen?
Sie sind alle tot.
    Imer und Afrim, Marsela und
Frau Lulezime – sie hatte gesehen, wie sie getötet wurden. Sallie unterdrückte
ein Schluchzen.
    Das ist vollkommen unwichtig, sie sind nur Schatten , sagte die
Katzenkönigin. Dir ist nichts geschehen.
Noch spielt er mit dir, aber wenn ihn das Spiel zu langweilen beginnt, wird er
dich töten. Und dein Tod bedeutet den Tod für uns alle. Die Stimme
schwieg einen Atemzug lang und setzte dann leise hinzu: Den Tod für uns und das Verderben für die Welt.
    Aber ich weiß doch gar nicht, was ich zu tun habe.
    Wir sind schon zu lange hier, erwiderte die Stimme. ER hat deine Witterung aufgenommen. Geh schnell,
Sallie. Lies dein Buch! Und frag den Raben, er kann dir ... GEH!
    Sallie spürte einen festen Stoß,
der sie aus der Nirgendwelt des Transportes katapultierte. Sie fiel und stieß
sich dabei so fest den Kopf, dass sie die Besinnung verlor.
     
    Sallie schlug die Augen auf
und wusste, dass sie nicht lange bewusstlos gewesen war. Im ersten Moment
befürchtete sie, der Schlag auf den Kopf hätte etwas mit ihren Augen
angerichtet, denn sie konnte nichts sehen. Aber dann erhaschte sie im
Augenwinkel einen hellen Schimmer, der verschwand, als sie ihn direkt anblicken
wollte, und da war sie sicher, dass sie in einem stockfinsteren Raum gelandet
sein musste.
    Sallie stand auf und tastete
umher. Es stand nichts in der Nähe, woran sie sich hätte orientieren können.
»Hallo?«, sagte sie und schlug gleich darauf die Hand vor den Mund. Wenn sie
rief, würde das womöglich jemanden auf sie aufmerksam machen, dem sie hier im
Dunkeln nicht begegnen wollte. Jemanden mit einem Tranchiermesser in der Hand
oder scharfen Zähnen im Maul.
    Sallie ging vier Schritte
geradeaus. Sie hatte den Transport um einen Platz in Sicherheit gebeten, weit
weg von dem Gemetzel im Festsaal. Aber wo war sie nun gelandet?
    Ihre Hände stießen an eine
Wand. Erleichtert seufzte sie und begann sich daran entlangzutasten. In jeder
Wand gab es in der Regel früher oder später auch eine Tür.
    Ein Winkel. Wieder eine Wand,
nicht lange darauf der nächste Winkel. Wand. Winkel. Wand – Winkel.
    Sallie schloss trotz der
Dunkelheit die Augen und dachte nach. Sie hatte den offensichtlich kleinen
Raum, in dem sie gelandet war, einmal komplett umrundet, aber keine Tür
gefunden. »Wo bin ich?«, fragte sie laut und wütend und ein wenig ängstlich.
    »Ah«, sagte jemand
erleichtert. »Sallie. Da bist du. Warum bist du vor mir fortgelaufen?« Sie spürte
einen Luftzug und dann eine Hand, die nach ihr griff. »Ich hatte Angst, dich
nicht wiederzufinden. Bist du verletzt?«
    Sallie ließ es zu, dass die
Hand sie dicht an einen warmen, atmenden Körper zog. Sie kannte die Stimme,
aber ihr Kopf tat weh, sie war müde, der ausgestandene Schrecken zitterte immer
noch in ihr nach, die Bilder des Traums tanzten durch ihren Kopf, die Stimme
der Katzenkönigin geisterte in ihren Ohren herum und die Finsternis schien
nicht nur ihre Augen, sondern auch ihre Ohren zu verstopfen – Sallie hatte
einfach kein Fetzchen Kraft mehr, darüber nachzudenken, wer es war, der da mit
ihr sprach und sie jetzt in den Arm nahm. Sollte ER es sein, dann war ihr sogar
das gleichgültig. Sollte ER sie doch fressen. Sie war so erschöpft, dass sie
den Gedanken beinahe begrüßte.
    Der Mann umarmte sie und
wiegte sie wie ein kleines Kind. »Alles wird gut«, murmelte er. »Sei ruhig, kleine
Sarah. Alles wird gut, du wirst sehen.« Sallie merkte erst, als seine Finger
über ihre nassen Wangen streichelten, dass sie weinte. Sie verbarg das Gesicht
an einer Schulter und ließ zum ersten Mal, seit sie denken konnte, zu, dass ein
anderer Mensch ihr Halt gab.
    »Danke«, sagte sie nach einer
Weile. »Danke, es geht schon wieder. Weißt du, wo die Tür ist?«
    »Vielleicht sollten wir noch
etwas hierbleiben«, antwortete der Mann. Sallie fand, dass er sich so müde anhörte,
wie sie selbst sich fühlte. »Sie sind noch nicht ganz fertig da draußen.«
    Sallie schüttelte sich. Der
Mann, dessen Stimme sie kannte, zog an ihrer Hand, bis sie neben ihm auf dem
Boden zu sitzen kam. Sie lehnte sich an die Wand und ließ zu, dass er wieder
seinen Arm um sie legte.
    »Du musst vorsichtig sein«,
sagte er. »Bis jetzt warst du in Sicherheit, weil ER seine

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