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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Wirtschafterin musterte sie nicht
allzu freundlich.
    »Sehr aufregend, so«,
wiederholte Frau Lulezime streng. »Du weißt, dass ich nicht jede Küchenhilfe
für tauglich halte, den Herrschaften zu servieren. Es ist eine Ehre, dies tun
zu dürfen.«
    »Ja«, murmelte Sallie
niedergeschlagen. »Danke, Frau Lulezime.«
    Die Wirtschafterin schnaubte
und klappte mit einem energischen Laut ihr Büchlein zu. »Aber du möchtest
lieber in Meister Korbens Rumpelkammer arbeiten, die er Apotheke nennt. Gut,
dann geh. Ich halte dich nicht. Undankbares Ding.«
    Sallie knickste verwirrt, denn
trotz der spitzen Worte blinzelte Frau Lulezime ihr beinahe verschwörerisch zu.
»Eins meiner Küchenmädchen«, hörte sie sie kopfschüttelnd sagen, als sie zur
Tür lief. »Eins meiner Mädchen. Na, so was!«
     
    Atemlos kam Sallie vor der
Apotheke an und klopfte an die Tür. »Meister Korben«, rief sie, »seid Ihr da?«
    »Wo sollte ich sonst sein am
Tag nach dem Jahresfest?«, antwortete er. »Schrei nicht so herum, Sallie, komm
einfach herein.«
    Sogleich betrat sie die
Apotheke, stellte ihr Bündel neben die Tür und schaute sich um, als sähe sie
den vollgestopften, unordentlichen Raum zum ersten Mal. Das hier war also ab
jetzt ihre neue Arbeitsstelle. Sie rieb sich aufgeregt über die Wangen.
»Meister Korben? Ich bleibe jetzt bei Euch!«, rief sie.
    Der Apotheker steckte seinen
Kopf durch die Tür. »Dann steh nicht so herum, mach dich nützlich«, knurrte er.
Er verschwand wieder im Hinterzimmer und Sallie hörte ihn laut schimpfen. Sie
seufzte. Vielleicht war es doch kein so guter Rat gewesen, der sie hierhergeschickt
hatte.
    »Was soll ich denn tun,
Meister Korben?«, rief sie. Es war alles so unordentlich und staubig. »Soll ich
sauber machen?«
    »Räum erst einmal auf«, hörte
sie ihn antworten.
    Aufräumen. Sallie seufzte
wieder. Alles stand kreuz und quer durcheinander, Tiegel, Töpfe, schmutzige
Schalen und Gerätschaften türmten sich auf dem Tisch, auf dem Boden und auf den
Regalen. Aufgerissene Bündel, aus denen getrocknete Kräuter, kleine Päckchen
und Tütchen schauten, lagen herum und verstreuten ihren Inhalt überall hin.
    »Also aufräumen«, sagte Sallie
und rollte die Ärmel auf.
     
    Während sie schmutzige
Behälter ineinanderstapelte und Krümel und Brösel von den frei werdenden
Oberflächen fegte, dachte sie nach. Was auch immer auf dem Fest geschehen war,
es hatte keine Spuren hinterlassen außer in ihrem Gedächtnis. Hatte sie alles
nur geträumt? Sallie ertappte sich dabei, dass sie heftig den Kopf schüttelte.
Das war kein Traum gewesen! Sie war vor dem Wolf geflüchtet, sie war dem Raben
begegnet, sie war mit dem über und über blutbespritzten Redzep durch den Keller
gelaufen. Sie hatte Imer über dem Tisch liegen sehen. Aber wenn all das kein
Traum gewesen war, was war es dann?
    Sallie räumte energisch
klappernd die schmutzigen Schalen und Töpfe in den Spülstein, den sie in der
Ecke entdeckt hatte. Gut, für dieses Rätsel gab es keine Lösung. Also das
nächste: Es konnte doch nicht ernst gemeint sein, dass sie, Sallie, vormals
Küchenmädchen und jetzt Gehilfin des Apothekers (was immer noch bedeutete, dass
sie schmutziges Geschirr spülen musste) die Aufgabe hatte, den Wolf zur Strecke
zu bringen. Den Nebelkönig töten – das war etwas, an dem die Katzenkönigin
einst mit all ihren Gefolgsleuten gescheitert war.
    Sallie wischte die Hände an
ihrer Schürze ab und lachte.
    »Was ist so komisch an
schmutzigem Geschirr?«, fragte der Apotheker, der gerade aus dem Hinterzimmer
kam.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich
habe über etwas nachgedacht.«
    Die Tür sprang auf und ein
Diener stolperte herein, der sich ächzend den Kopf hielt.
    »Noch so ein armes Opfer«,
sagte Korben mitleidlos und stellte einen Becher vor den Jammernden. »Austrinken.
Was tut dir sonst noch weh?«
    Sallie schrubbte die Töpfe,
Tiegel und Schalen und hörte hinter sich unablässig die Tür gehen. Korben
versorgte die Leidenden mit seinen Tränken und guten Ratschlägen.
    Dann war es wieder eine Zeit
lang ruhig, die neue Gehilfin stapelte das saubere Geschirr und wandte sich dem
Schrank mit seinen herausquellenden Tüchern, Binden und Kräuterbündeln zu.
    »Mach eine Pause«, sagte
Korben, der sich kurz zuvor in den knarrenden Lehnstuhl hatte fallen lassen. Er
hatte seinen lahmen Fuß hochgelegt und hielt einen Becher in der Hand. Sallie
hockte sich vor ein leeres Regal und verschränkte die Arme. Sie musterte

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