Der Nebelkönig (German Edition)
verwenden nur makellose Pflanzen, und sortiere sie – du dürftest die
meisten ja schon kennen, sie werden schließlich auch in der Küche benutzt.«
Schweigend machte sich Sallie
an die Arbeit und war sich die ganze Zeit des bohrenden Blickes bewusst, mit
dem der Apotheker sie und ihr Tun beobachtete. Mit flinken Händen sortierte sie
verwelkte Pflanzen aus, geknickte Stängel, verfärbte Blättchen, und dann legte
sie die verschiedenen Kräuter in ordentliche Häufchen, wobei sie leise ihre
Namen murmelte: »Sandmelde, Ackerhorn, Feiner Quandel, Scharfblatt, Holdeminze,
Zwiebelkamm und ...« Sie stockte und schob den Wolfszahn auf die andere
Tischseite, weit weg von den nützlichen Kräutern auf dem Leintuch.
Der Apotheker lachte ein
kurzes, krächzendes Lachen und humpelte heran. Er lehnte seinen Stock gegen die
Tischkante, und Sallie erkannte zum ersten Mal mit einem feinen, scharfen
Schreck, dass der silberne Knauf des Stockes einen Wolfskopf mit einem scharfzahnig
grinsend geöffneten Maul darstellte.
Sie atmete zischend ein und
riss ihren Blick los. Magister Korben beobachtete sie und sein Blick erschien
ihr kalt und lauernd. »Nun?«, fragte er.
»Ich bin fertig.« Sie trocknet
ihre Hände an der Schürze und entfernte die trockenen Blättchen, die an ihren
Fingern klebten.
Der Apotheker beugte sich über
das Leintuch und inspizierte ihre Arbeit. Er nickte. »Dies und dies bindest du
zusammen und hängst es zum Trocknen auf.« Er deutete auf Scharfblatt und Zwiebelkamm
und zog eine Schublade auf, der er Schnur und ein Messer entnahm. »Das und das
und das werden wir nachher zu einem Brei zermörsern und dann zeige ich dir, wie
man es mit anderen Ingredienzen vermischt und entweder eine Salbe daraus
bereitet oder Pillen dreht.« Er bückte sich und stellte ein hölzernes Gerät auf
den Tisch. »Das ist ein Pillenbrett«, erklärte er. »Hier wird die Masse
ausgerollt, in diese Vertiefungen hinein, und mit dem Hebel teilen wir die
Masse in kleine Röllchen.«
Der Apotheker legte die Hand
auf den sauber verlesenen Wolfszahn. Sallie meinte den scharf aromatischen
Geruch des Krautes zu riechen. »Daraus werden wir einen alkoholischen Auszug
herstellen«, sagte er.
Sallie schauderte. »Wozu ist
der Auszug nützlich?«, fragte sie.
Er lächelte und sein Lächeln
ließ Sallie erneut einen Schauder über den Rücken rieseln. »Nützlich zu vielerlei.
Tiefer Schlaf, langer Schlaf, schöne Träume ...« Er verstummte und starrte auf
das giftige Kraut hinab. Dann knipste er eine der scharlachroten Beeren ab und
rollte sie nachdenklich zwischen den Fingern. »Schau her«, sein suchender Blick
fiel auf eine Spinne, die sich von der Decke abseilte. Mit einer schnellen
Handbewegung fing er sie, ließ sie auf den Tisch fallen und schlug dann mit der
flachen Hand auf das Tier.
Sallie schrie auf, denn als er
die Hand hob, zuckte die Spinne heftig mit den Beinen, die unversehrt geblieben
waren und versuchte, ihren zerschlagenen Leib vor dem Angreifer in Sicherheit
zu bringen. Aber ihre Verletzungen waren zu schwer, sie zuckte und zappelte in Agonie,
und Sallie wandte voller Mitleid den Blick ab, um den Apotheker zu bitten, das
Tierchen endgültig von seinen Leiden zu erlösen.
»Schau her«, sagte er scharf.
Er beugte sich über die sterbende Spinne und hielt die Wolfszahnbeere über sie.
Sallie hörte ihn tonlos summen. Er drückte die Beere, bis sie platzte und ein
wenig blutdunkler Saft und ein paar winzige Körnchen hervortraten. Der Saft
fiel auf die Spinne. »Sei wie zuvor«, befahl der Apotheker.
Eine winzig kleine Nebelwolke
verhüllte das sterbende Tier. Er hauchte sie fort, und Sallie sah mit großen
Augen, wie die verschreckte kleine Spinne über die Tischplatte hastete und sich
an ihrem Faden hängend zu Boden fallen ließ.
Sallie bückte sich und
beobachtete, wie das Tierchen auf seinen acht unversehrten Beinchen in eine
dunkle Ecke flüchtete. »Wie habt Ihr das gemacht?«
Er ließ sich auf seinem Stuhl
nieder und rieb die befleckten Finger an einem Tüchlein. »Was denkst du?«,
fragte er zurück.
Sallie sah in seine
ausdruckslosen Augen und dachte an die Worte des Raben. »Ihr seid ein Hexenmeister
und das war Zauberei.«
Er faltete die Hände vor dem
Kinn. »Hexenmeister«, wiederholte er. »Zu viel der Ehre, mein Lehrmädchen. Aber
es war Zauberei, das hast du richtig erkannt.« Er nickte zu den Kräutern hin.
»Nimm dir eine Beere.«
Sie beugte sich vor und
zögerte. Giftig rot leuchteten die
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