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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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Inspector unterbrach ihn: »Ganz im Gegenteil. Ich werde die Medien um ihre Mitarbeit bitten, damit das Ganze nicht an die Öffentlichkeit kommt. Wenn er hört, daß die Leiche entdeckt wurde, taucht er möglicherweise für einige Monate unter, und wir werden nicht herausfinden können, wo er sich aufhält.«
      »Ein klar denkender Mensch würde vielleicht auf so eine Idee kommen, aber ein Verrückter...«
      »Sie müssen mich schon tun lassen, was ich für richtig halte, Mr. Gilmour.«
      Rosa fühlte die Spannung zwischen den beiden Männern wachsen. Noch eine Minute, und sie würden wie die Wölfe aufeinander losgehen. Der Ladenraum war fast leer. Draußen versuchten einige Polizisten, die Leute, die sich nicht vom Fleck rühren wollten, zum Weitergehen zu bewegen. Als Rosa und Leo auf den hell erleuchteten Bürgersteig traten, erhob sich ein gedämpftes Stimmengemurmel, und die Leute drängten nach vorn.
      »Gibt es keinen Hinterausgang?« fragte Leo.
      Mr. Christoforou zuckte mit den Schultern. Er zerriß einen kleinen Stapel unbezahlter Rechnungen. Die Papierfetzen warf er in die Luft. »Sicher - bedienen Sie sich. Haben alle anderen auch schon getan.«
      Sie gingen in die Eingangshalle zurück und fanden den Hintereingang, der auf einen schmutzigen, nach abgestandenem Bratenfett und Fisch stinkenden Hinterhof führte. Dort waren alte Holzkisten aufgestapelt, standen ein Ölfaß und ein kleiner Schuppen, der noch unangenehmer roch als der Fisch. Eine altmodische Straßenlaterne auf der dahinterliegenden Straße warf ein schwefelgelbes Scheinwerferlicht auf die Szenerie. Sie begannen, sich einen Weg zu der Tür zu bahnen, die auf die Straße hinausführte. Gleich daneben standen zwei überquellende Mülltonnen. Auf der einen bewegte sich etwas. Rosa blieb stehen.
      »Leo ...« Sie ging näher heran. Was sie dann sah, ließ sie schwach werden. Der Zorn war verflogen. Ihre Energie war verpufft. Vor Erleichterung, Schwäche oder was es sonst war, begann sie hemmungslos zu weinen. »... O Leo ... sieh doch mal...«
      Auf einem Haufen verfaulter Fischköpfe und -innereien hockte eine große, seltsam geformte und noch seltsamer gefleckte Katze, aus deren Maul zu beiden Seiten eine glänzend weiße Gräte ragte.
     
    Fenn saß auf dem Rand seines Betts und hörte dem Mann zu, der hinter der Sperrholzabtrennung hustete und Gott weiß wohin spuckte, denn in keiner der Kabinen stand ein Spucknapf oder ein Topf. Die Adresse dieses elenden Drecklochs hatte er auf der Tür einer Herrentoilette an der Dalston Junction gefunden. Junge Leute, die gerade nach London gekommen waren, wurden dort aufgefordert, sich an diese Organisation zu wenden, wenn sie nicht wußten, wo sie bleiben sollten. Angeblich ging es darum, sie von schlechter Gesellschaft fernzuhalten. Darüber konnte man nur lachen.
      Seitdem er den Oasis-Imbiß verlassen hatte, war er aus dem Lachen nicht mehr herausgekommen. Einmal, als er sich Sonias Gesicht in dem Augenblick vorgestellt hatte, in dem sie erkannte, daß er es ihr zeigen würde, hatte er sich vor Lachen kaum noch halten können und sich in den Rinnstein gesetzt, bis das Zucken seines Körpers nachgelassen hatte. Zum Glück war er in London, wo die Passanten einem Menschen, der sich ein wenig seltsam benahm, kaum Beachtung schenkten. Denn er mußte vorsichtig sein. Er mußte seine Mission zu Ende bringen; sobald das getan war, würde er lachen können, soviel er wollte. Soviel und solange er wollte. Dann hätte er tatsächlich etwas zu feiern.
      Hinter der Trennwand zu seiner Rechten hörte er ein volles, gurgelndes Schnarchen; regelmäßig, doch nicht im Einklang mit dem Husten und Spucken zur Linken. Nicht, daß ihn das störte. Bald würde es hell werden. Er hatte ohnehin nicht schlafen können. Er fühlte sich wie ein Sprengsatz mit einer langen Zündschnur. Er spürte den Haß in seinen Adern. Einen Haß, der im Schmelztiegel seiner ehrgeizigen Gefühle zu einer einzigartigen Kraft zusammengeschmolzen war. Er hatte seinen Kopf von der Trennung zwischen Gut und Böse gereinigt. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann diese Vorstellungen für ihn je von Belang gewesen waren. Die Energie, die seinen Kopf zum Pochen brachte, zwang ihn auf die Beine, doch die kleine Kabine bot ihm keine Bewegungsmöglichkeit. Er setzte sich wieder. Es störte ihn keineswegs, daß er nicht geschlafen hatte; schließlich war er nicht zum Ausruhen hierhingekommen, sondern um die Straßen zu

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