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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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leuchtende Orangen mit großem Geschick zwischen seinen Händen hin- und herwandern ließ. Lagen Michael Kelly und die Arbeit beim Rundfunk in ihrer gewölbten Hand, so entließ sie Leo und die Kinder in die Welt der Arbeit und der Schule, nur um sie zum geeigneten Zeitpunkt mit der anderen wartenden Hand aufzunehmen.
      Sie beugte den Kopf über ihr Buch. Tatsächlich, dachte sie, besteht das größte Glück darin, eine Arbeit zu tun, die das vollkommene Vergessen der eigenen Person einschließt. Voller Zufriedenheit legte sie ihren Schreibblock neben das Buch, nahm einen Stift in die Hand und begann zu lesen.
     
     

* 2
     
    »Und wie werden Sie auf dieser einsamen Insel zurechtkommen, Fenn? Sind Sie praktisch veranlagt? Könnten Sie sich eine Schutzhütte bauen?«
      Fenn war sich nicht sicher, wie er auf diese Frage antworten sollte. Er konnte sich vorstellen, daß die Leute ihn für einen Trottel halten würden, wenn er zugab, daß er ein guter Heimwerker war. Auf der anderen Seite wollte er nicht den Eindruck erwecken, einer dieser schwächlichen Typen zu sein, die sich in einer Notsituation nicht zu helfen wußten. Schließlich hatten seine Zuschauer jetzt die Möglichkeit, etwas über den wahren Fenn zu erfahren. Der gefeierte Star sollte aus der Reserve gelockt werden. Gewöhnlich entschied er sich dafür zu erwidern: »Nun, Roy - ich würd's auf jeden Fall versuchen. Für das Ergebnis kann ich allerdings nicht garantieren.« Dem würde er ein Lachen folgen lassen, das den Zuschauern bewies, wie problemlos das Ganze für ihn eigentlich war.
      »Und Sie dürfen einen Gegenstand mitnehmen - der allerdings keinen praktischen Wert hat.«
      Auch diese Frage hatte ihm zunächst Kopfzerbrechen bereitet. Er schwankte zwischen einer völlig sinnlosen, aber ausgefallenen Sache wie einem Paar Ski und einem Gegenstand, der die Neugierde des Publikums erregen würde. Ihnen einen kleinen Eindruck von seinem Lebensstil vermitteln würde.
      »Du bringst mich hier ganz schön in Verlegenheit, Roy. Ich kann mir kaum vorstellen, den Tag ohne meinen seidenen Morgenmantel zu beginnen.« Oder sollte er lieber Kaffee von Fortnum's nennen? Nein -das ging nicht. Schleichwerbung war bei der BBC verboten. Ein paar Flaschen von meinem besten Rotwein? Ja, das war in Ordnung. Ziemlich brillant sogar. Er hatte sich gegen Champagner entschieden, weil ihm das zu gewöhnlich vorkam.
      »Und wie steht's mit einem Buch? Auf der Insel sind bereits die Bibel und eine Shakespeare-Ausgabe.«
      »In dem Fall, Roy, ist ein anderes Buch gar nicht mehr nötig, oder? Er ist ein großartiger Schriftsteller. Manchmal denke ich, daß nichts der Erwähnung wert ist, was Shakespeare nicht schon einmal in irgendeiner Form gesagt hat.« Bei der Bibel mußte man vorsichtig sein. Einige seiner Fans würden enttäuscht sein, was immer er auch sagte. »Was die Bibel angeht... sie ist ebenso Teil unseres englischen Erbes wie die Gebäude und Gärten unserer Majestät. Ich bin mir sicher, daß sie wie alle großen Kunstwerke für jeden von uns etwas anderes bedeutet.«
      Mit seiner Antwort auf die Buchfrage war er ausgesprochen zufrieden. Soweit er wußte, war bislang kein anderer auf eine so glänzende Lösung gekommen. Damit würde er seine Originalität beweisen. Natürlich würde Roy ihn drängen, ein weiteres Buch zu nennen, und er hatte bereits beschlossen, das zu wählen, welches jeweils an der Spitze der Bestsellerliste stand. Er war wahrhaftig kein begeisterter Leser und konnte - bei dem Gedanken prustete er los - schwerlich ein Buch aus seiner Spezialsammlung vorschlagen.
      Für Musik interessierte er sich ebenfalls nicht. Die eine Hälfte der Titel würde er aus den gegenwärtigen Top Ten beziehen, die andere setzte sich aus dem Klassikervorrat der Bibliothek zusammen. Vor einigen Tagen hatte er sich vier davon notiert, und er hatte vor, seine Liste jeden Monat zu verändern. Er nahm an, daß es bei klassischer Musik ebensolche Trends gab wie bei Popmusik, und wollte auf dem laufenden sein.
      Ständig bereitete er sich auf die verschiedenen Situationen vor, mit denen er konfrontiert sein würde, sobald er berühmt wäre, doch Desert Island Discs war ihm am liebsten. Die Sendung bewies, daß man es wirklich geschafft hatte. Er wurde nicht müde, seine Antworten auf Roys Fragen immer wieder durchzuspielen. Er hatte Eltern, Schule, Freunde erfunden. Da gab es einen Lehrer, der schon früh sein außergewöhnliches Talent erkannt

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