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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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Adreßbuch verlegt. Ich habe Rosa versprochen, daß ich sie heute anrufe. Sie wird sauer sein, wenn ich's nicht tu.«
      »Mrs. Gilmour wird morgen im Studio sein. Wenn Sie mir Ihren Namen und Telefonnummer geben, werde ich sie an Mrs. Gilmour weiterleiten.« Den Teufel würde sie tun. Seine Nachricht würde da landen, wo sein Brief bereits war: bei irgendeiner blöden Sekretärin. Sie fügte hinzu: »Ich würde meinen Job verlieren, wenn ich Ihnen diese Art von Information geben würde.«
      Er dachte schnell nach. »Um ehrlich zu sein, werde ich heute abend bei ihr zum Abendessen erwartet, und ich schaff es zeitlich einfach nicht.« Das war gut. Sehr einfallsreich. Es kam darauf an, blitzschnell zu schalten. Das unterschied den Mann vom Jungen. »Offensichtlich muß ich ihr also absagen.«
      »Ich verstehe.« Pause. Damit hatte sie nicht gerechnet. »In dem Fall wird es mir ein Vergnügen sein, sie zuhause anzurufen und ihr die Nachricht mitzuteilen. Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen?«
      Ein Piepsignal kündigte das Ende des Telefonats an. Kurz bevor die Leitung unterbrochen wurde, hörte er die beiden idiotisch kichern. Er war versucht, den Hörer gegen die Wand zu werfen, legte ihn aber sanft, fast zärtlich auf die Gabel zurück. Selbstkontrolle war sein oberstes Gebot. Immerhin konnte er Rosa für das Geschehene nicht verantwortlich machen. Die Tatsache, daß ihm an jeder Ecke Steine in den Weg gelegt wurden, hatte nichts mit ihr zu tun. Und irgendwann, sagte er sich, würden die Mädchen für ihn dasselbe tun. Würden ihn vor begeisterten Fans abschirmen. Und dafür würde er ihnen dankbar sein. Vielleicht würde er sie sogar an den heutigen Vorfall erinnern. Sie würden sich peinlich berührt fühlen, bis sie sahen, daß er lachte.
      Aber das brachte ihn auch nicht weiter, dachte er, als er die Treppe hinaufging. Wieder am Tisch, strich er hastig seine Notizen durch: Rosa kontaktieren (Büro/Studio). Rosa kontaktieren (zuhause). Dann starrte er lange auf seinen Block.
      Er schien vor einem unüberwindlichen Hindernis zu stehen. Er hatte sich immer für einen Menschen gehalten, der in schwierigen Situationen am effektivsten war. »Widrigkeiten bringen meine besten Seiten zum Vorschein«, hatte er immer behauptet. Tatsächlich hing über seinem Waschbecken ein Spruch, der es weitaus besser, als er je könnte, auf den Punkt brachte: »Unmögliches erledigen wir sofort. Wunder brauchen etwas länger.«
      Er holte den Brief aus dem Mülleimer. Er mußte versuchen, ihn mit mehr Abstand zu lesen. Alles persönlich zu nehmen bereitete ihm nichts als Kopfschmerzen. Vielleicht kam ihm beim Lesen eine Idee. Er strich das Papier glatt. Unter der Unterschrift stand noch etwas. »Persönliche Sekretärin«. Zwischen »Sonia Marshall« und »pp. Rosa Gilmour« hatte sie »Persönliche Sekretärin« geschrieben. Das war eine Verbindung, die es zu verfolgen galt. Hatte man erst mal die Sekretärin, kam man auch an die Chefin heran. Es war ja so einfach. Es wäre ein Kinderspiel. Und ein unterhaltsames dazu.
      Wieder las er sich die aalglatten Phrasen durch, die sie ihm in ihrer Gleichgültigkeit geschickt hatte. Eigentlich war es zum Totlachen. Ja, er war Sonia Marshall etwas schuldig. Aber sie wäre diejenige, die bezahlen müßte.
     
    Rosa bemerkte sehr wohl, daß Sonia in der einen Ecke des Raumes hockte, als habe sie einen Besen verschluckt. Vom morgendlichen Biß in den knackigen Herbsthimmel konnte heute nicht die Rede sein. Auch die vertraulichen Erkundigungen nach Michael Kelly oder Rosas Privatleben fielen aus. Was blieb, war ein kühles »Guten Morgen, Mrs. Gilmour« zur Begrüßung und dann das anhaltende, unpersönliche Rattern der Schreibmaschine. Das war zwar äußerst ungewöhnlich, kam Rosa aber nicht ungelegen.
      Sie war ohnehin zu spät dran, denn heute hatte sie nicht vor Mrs. Jollit und deren sogenanntem täglichen Schnelldurchgang flüchten können. Rosa war erst ein- oder zweimal Zeuge dieses Wirbelwinds gewesen und hatte, wie von einer unbekannten Zentrifugalkraft an die Wand gepreßt, tatenlos zugesehen, bis sich der Sturm gelegt hatte. Sie hatte an den Walt-Disney-Cartoon »Der Zauberlehrling« denken müssen, in dem sich Besen und Mops wie aus eigener Kraft an die Arbeit machen. Mrs. Jollit schien die verschiedenen Putzgeräte weniger zu benutzen, als sie magisch anzuziehen. Gewöhnlich blies sie ihre von aufgeplatzten Äderchen durchzogenen Wangen auf und stieß

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