Der Neid eines Fremden
unterschrieben hatte ihn jemand anders. Schon wieder das gleiche. Genau wie bei der BBC. Irgendeine Sekretärin hatte es auf sich genommen, den Brief abzufangen und ihm eine Antwort zu schicken. Rosa hatte ihn nicht einmal zu sehen bekommen. Er war erleichtert. Er sah sich die verkrampfte kleine Unterschrift näher an: »Sonia Marshall«.
Sonia Marshall sollte sich lieber vorsehen. Hätte er sich einmal bei City Radio etabliert, würde sie sich nach einer neuen Stelle umsehen müssen. Er strich das Papier glatt und notierte sich Rosas Anschrift und Büronummer, dann warf er den Brief in seinen grauen Mülleimer. Er zog den Stuhl an den Tisch, holte ein neues Blatt Papier hervor und versuchte sich zu konzentrieren. Wie sollte er weiter vorgehen? Hauptsache war, mit Rosa Kontakt aufzunehmen. Er würde es im Studio versuchen. Sollte er sie dort nicht erreichen, würde er bei ihr zuhause anrufen. Oder sollte er ihr lieber schreiben? Ja - das war die Lösung. Wenn er ihr nach Hause schrieb, würde sie den Brief auf jeden Fall erhalten. Und in einem Brief konnte er sich präziser ausdrücken. Welchen Eindruck würde es denn machen, wenn das Telefon ständig piepste, weil er mit den Zehnpfennigstücken nicht nachkam? Und sie würde ihn vielleicht von vornherein ablehnen, weil er kein privates Telefon hatte. Würde wahrscheinlich denken, er hätte nicht das richtige Format. Er kramte sein Kleingeld hervor. Drei Zehner und ein Fünfziger. Das müßte reichen. Es war ja nur ein Ortsgespräch.
Mit dem Notizblock in der Hand rannte er in die Diele hinunter. Oberhalb des Münzfernsprechers hing eine riesige Werbung für karibische Softdrinks. Eine große schwarze Frau mit einem Turban schwenkte einige Ananas wie Handgranaten gegen einen tiefblauen Ozean. Ihre Zähne waren weiß wie der Sand. Einige waren mit Tinte vollgeschmiert, auf anderen standen Telefonnummern. Der rissige Linoleumfußboden unter dem Telefon starrte vor Dreck. Er legte sein Notizbuch auf den Münzfernsprecher, warf zwei Groschen ein und wählte. Tut. »Hier City Radio.«
»Könnte ich bitte Rosa sprechen?«
»Wen bitte?«
»Rosa.« Nachsichtig und leicht amüsiert fügte er hinzu: »Rosa wie in Gilmour.«
»Oh. Ich glaube, Mrs. Gilmour ist nicht im Haus, aber ich werde Sie mit ihrem Büro verbinden.«
Mrs. Gilmour? Er hatte nicht damit gerechnet, daß sie verheiratet war. Aus irgendeinem Grund mißfiel ihm das. Es knackte ein paarmal in der Leitung.
»Nein. Tut mir leid. Versuchen Sie's doch am Freitag nach der Sendung. Zu Ende ist sie um ...«
»Ich weiß, wann ihre Sendung zu Ende ist. Hören Sie - vielleicht hätte ich es Ihnen schon früher erklären sollen. Ich rufe in einer Privatsache an. Rosa ist eine gute Freundin von mir.«
»Nehmen Sie's mir nicht übel, aber Sie sind wohl eher derjenige, der nicht verstehen will.« Jetzt war es an der Telefonistin, Nachsicht zu üben. »Mrs. Gilmour ist nicht hier. Ich kann sie auch nicht herzaubern.«
Verdammtes Miststück. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Bei diesen Leuten wußte man nie, wann sie einem Lügen auftischten. Auf der anderen Seite hatte es keinen Zweck, sie zu diesem Zeitpunkt unnötig zu verärgern.
»Nun gut. Okay ... ich ... hm ... werde sie zu Hause anrufen.«
»In Ordnung. Vielen Dank für Ihren Anruf, Auf Wieder -«
»Einen Moment.«
»Ja?«
»Würden Sie mir bitte ihre Nummer geben?«
»Ihre Privatnummer?«
»Genau.«
»Aber... haben Sie die denn nicht, Sir? Ich meine - Sie sind doch mit ihr befreundet.«
Die Kanaille. »Wie ist Ihr Name?« Das hatte gesessen. Eine Pause. Im Hintergrund hörte er ein gedämpftes Flüstern. Es hörte sich an wie ein Schluchzen. Dann sagte irgend jemand etwas, das er nicht verstehen konnte. Es mußte jemand bei ihr sein. Er hatte recht. Ein zweites Mädchen kam ans Telefon.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich glaube, Ihre Kollegin hat Ihnen die Situation bereits erklärt. Ich hätte gern Mrs. Gilmours Privatnummer.«
»Tut mir leid. Es ist uns nicht gestattet, Privatnummern weiterzugeben.«
»Oh.« Er mußte gestehen, daß das ein Rückschlag war. Am besten kam er auf die Idee mit dem Brief zurück. »Und wie steht's mit ihrer Adresse? Ich will ihr eine kurze Nachricht hinterlassen.«
»Das geht leider auch nicht. Wenn Sie an Rosas Karussell schreiben, wird sie den Brief sicher bekommen.«
»Wissen Sie, ich hab' mein
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