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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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zischend den Atem aus, bevor sie sich an die Arbeit begab.
      Heute morgen hatte Mrs. Jollit ein Krebsgeschwür im linken Knie. Als sie vor drei Jahren zu Rosa gekommen war, hatte sie über schreckliche Schmerzen in der Schulter geklagt und behauptet, es sei Krebs. Rosa hatte sofort Mitleid gehabt. Wie viele Frauen neigte sie dazu, bei der geringsten Andeutung über einen Schmerz unbekannter Herkunft oder über unerklärliche Beschwerden das Schlimmste zu befürchten, deshalb hatte sie Mrs. Jollit zu ihrer beider Beruhigung zu ihrem Hausarzt geschickt und die Röntgenkosten übernommen. Die Röntgenaufnahme zeigte eine vollkommen gesunde Schulter. Seitdem hatte Mrs. Jollit Krebsgeschwüre in der Lunge, dem Herzen, den Nieren und der Milz gehabt. An den Nerven, in der Wirbelsäule, in der Leber und in der Gebärmutter. Bislang war der einzige wichtige Körperteil, der sich nicht dem Krebs gebeugt hatte, das Gehirn gewesen, und wie Leo sagte, würde jede Krankheit, die Mrs. Jollits Gehirn ausmachen könne, in die Geschichte der Medizin eingehen. Die unablässige Saga ihres regen Innenlebens wurde nur durch Geschichten über Gavin, ihrem jüngsten Enkel, unterbrochen, auf den die Polizei es aus ihr unverständlichen Gründen irgendwie abgesehen hatte. Ihre angesichts der apokalyptischen Enthüllungen monotone und gleichgültige Stimme folgte Rosa bis "zur Tür.
      »Heute hab' ich schon tausend Ängste ausgestanden, das können Sie mir glauben.«
      Rosa sah flüchtig die Post durch. Eine halbe Stunde verging. Nur zwei Briefe waren ein wenig komplizierter und erforderten die Durchsicht gewisser Akten und ein Telefongespräch. Sie beschloß, einen Kaffee zu machen. Nachdem sie sich monatelang gewünscht hatte, Sonia würde mit dem Geplapper aufhören, damit sie in Ruhe nachdenken könne, begann das Schweigen des Mädchens sie jetzt seltsamerweise zu irritieren.
      »Ich mache einen Kaffee. Möchten Sie auch einen?«
      »Nein danke, Mrs. Gilmour.« Ratter, ratter. Kling, kling.
      »Ganz wie Sie wünschen.« Rosa holte eine Tasse und eine Tüte Milch. Sie haßte Instantmilch und hatte deshalb einen kleinen Kühlschrank in ihrem Büro stehen. Darin bewahrte sie auch eine Flasche Wein und ein paar Gläser auf. Sie nahm an, daß Sonia sie mit ihrem ablehnenden Verhalten dazu auffordern wollte, Fragen zu stellen und sich zu erkundigen, was los sei. Nun, sie dachte nicht im Schlaf daran, sich provozieren zu lassen. Vielmehr würde sie die Ruhe nutzen, um mit ihrer Arbeit voranzukommen. Lange konnte das Schweigen ohnehin nicht mehr dauern. Als der Kaffee seinen Duft zu entfalten begann, war die Atmosphäre bereits unerträglich.
      »Sonia, was ist los mit Ihnen?«
      »Was soll mit mir los sein, Mrs. Gilmour?« Ratter, ratter. Kling, kling. Bäng. Sonia bediente den Transporthebel mit solcher Wucht, daß Rosa sich nicht gewundert hätte, wenn der Wagen abgehoben hätte und durch das Fenster geflogen wäre. »Herrgott. Was könnte denn schon mit mir los sein?«
      Rosa schenkte sich einen Kaffee ein, nahm den Aktenordner mit den Rentengesetzen zur Hand und begann darin zu blättern. Sie konnte sich nicht konzentrieren, und ihr Blick wanderte wieder zu Sonias Rücken. Die Ablehnung war förmlich spürbar, schien um Sonias Schultern zu liegen wie Ektoplasma um einen Zellkern. Rosa setzte gerade zu einem zweiten Versuch an, als Sonia zu sprechen begann.
      »Tut mir leid, daß ich heute nicht in der Redaktion bin, Mrs. Gilmour. Die anderen sind alle im Außendienst, und Mr. Winthrop nutzt den Raum für Bewerbungsgespräche.«
      Das war es also. Rosa erinnerte sich, Sonia begegnet zu sein, als sie neulich den Kontrollraum verlassen hatte. Ihr fiel ein, daß Sonia eine Tasse Kaffee auf ihrem Tablett stehen hatte. Sie nahm ihre Pflichten als Sekretärin sehr ernst, war oft zuvorkommender als nötig. Rosa hatte ihr mehr als einmal klarzumachen versucht, daß sie nach ihrer Sendung keinen Kaffee brauchte. Sie mußte vor der Tür zum Studio gestanden haben und losgelaufen sein, sobald sie hörte, daß sich Rosa von ihren Hörern verabschiedete.
      Rosa fühlte sich erbärmlich. Ihr schlechtes Gewissen setzte ihr zu. Louise und sie hatten zusammen gelacht, daran erinnerte sie sich genau. Sie hatten darüber gelacht, daß sich die Reporter und Rosa Sonia gegenseitig zuzuschieben versuchten. Voller Mitleid blickte sie auf Sonias magere Schultern. Wie erniedrigend mußte es sein, sich als einfache Frau ohne

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