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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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geglättet, so daß die Show ungestört weitergehen konnte.
      Fenn war durchaus nicht damit einverstanden, daß Schwarze in Rundfunk oder Fernsehen auftraten, wußte aber, daß sich die Mitarbeiter der Medien unvoreingenommen geben mußten, und hatte sich darauf eingestellt, das mitzumachen. Zumindest solange er keinen von diesen Schwarzen berühren mußte. Allein bei dem Gedanken überlief es ihn kalt. Er sah auf seine Uhr. Noch zehn Minuten.
      Die aufmüpfigen Schauspieler waren verschwunden, jetzt wurde ein junges Mädchen mit dreifarbigen Zöpfen interviewt. Sie hatte vor kurzem ihre erste Single herausgebracht und war in den Charts bereits auf Platz siebzehn. Sie erklärte, daß sie sich zum Alleinunterhalter ausbilden lassen wolle, Schauspiel- und Tanzstunden nehme und sich in Hatha Yoga unterweisen lasse, um ihre obere Tonlage zu verbessern. Fenns Blicke und Gedanken schweiften von der Bühne ab. Er bemerkte den Kontrollraum. Dort saß ein Mann, der abwechselnd ins Publikum und (vorgeblich) auf eine unsichtbare Schalttafel sah. Ein zweiter, hinter ihm stehender Mann hielt ein Klemmbrett in der Hand. Beide trugen Kopfhörer. Im Hintergrund standen einige Mädchen herum. Er fragte sich, ob seine Karriere dort ihren Anfang nehmen würde. Im Tonraum. Er sah sich bereits am Ende einer Sendung das Band zurückspulen: »Das war's für heute, Jungs und Mädels - und vielen Dank. Eine großartige Show.«
      Um ihn herum begannen die Leute zu reden. Sie standen auf; zogen sich die Mäntel an. Er erhob sich ebenfalls. Einige Zuschauer gingen über die Treppe zum Ausgang, andere wandten sich der Bühne zu. Ein Teil der Chromabsperrung war zur Seite geschoben worden, und die Leute gingen auf den Moderator und seine Studiogäste zu. Der Kontrollraum war jetzt leer, und auf der Bühne tummelten sich Techniker, Musiker, Schauspieler und ein Teil des Publikums.
      Fenn gesellte sich zu ihnen. Er wußte nicht genau warum, doch immerhin gab es ihm die Möglichkeit, sich ein wenig länger in dem Gebäude aufzuhalten. Er beobachtete die Jugendlichen, die sich um die Musikgruppe drängten, und warf ihnen einen verächtlichen Blick zu. Der Leadsänger, Mel Cazalis, dessen tätowierte Brust seine japanische Ledermontur zu sprengen drohte, hatte die Mädchen wie Medaillen um den Hals hängen. In seinem üppigen roten Bart entstand hin und wieder eine kleine Öffnung, aus der undeutliche Laute drangen:
      »Yeah ... ich meine ... das ist ja ... hervorragend ... ganz richtig ... absolut.«
      Unauffällig näherte sich Fenn der Gruppe. Er spürte, wie Enttäuschung und Ärger langsam nachließen. Er begann sich heimisch zu fühlen. Geborgen. Fast bildete er sich ein, bereits zur Elite, dem kleinen Kreis der Erwählten, zu gehören, den er durch dichtgedrängte Schultern und leuchtende Haarsträhnen erspähen konnte.
      Im hinteren Teil des Studios waren - abgetrennt durch ein Seil - einige mit Blumen, Sandwiches und Wein gedeckte Tische aufgebaut. Einige Mädchen spielten nervös mit den Gläsern und rückten immer wieder die Vasen zurecht. Mit ihrem wirr gekämmten Haar, den glänzenden Lippen und den geschminkten Wangenknochen hätten sie aus einem seiner Sexmagazine stammen können. Diesem Eindruck entsprach auch ihr zweideutiges Gebaren: diese Mischung aus aufforderndem und mimosenhaftem Verhalten. Einige trugen hochgeschlossene, von den Oberschenkeln bis zum Hals geknöpfte Kleider, die jedoch wie eine zweite Haut anlagen; andere wiederum hatten so tief ausgeschnittene, weite Kleider an, daß man sich fragen mußte, was sie überhaupt bedecken sollten. Alle sahen immer wieder zu Mel Cazalis hinüber. Mit heißen, lüsternen Blicken. Dann sah er ein Mädchen in einem einfachen Kostüm, das abseits stand. Sie wirkte älter als die anderen und gab sich gleichgültig. Er dachte, sie sei wahrscheinlich für die Mädchen verantwortlich.
      Woher kamen diese Mädchen? Der Sender würde doch sicher keine Flittchen beschäftigen! Nein, sie sahen zwar erwartungsvoll aus, wirkten aber ganz und gar unprofessionell.
      Die Zuschauer wurden aus dem Studio gedrängt. Die Teilnehmer der Show strebten gemeinsam der Abtrennung zu. Sehr schnell tat sich zwischen beiden Gruppen eine Lücke auf. Er blickte zu den Saalordnern hinüber. Sie standen im Mittelgang und hatten ihre Aufmerksamkeit auf die Ausgangstüren gerichtet. Die Zuschauer verließen das Studio, ohne zu murren. Die Gruppe derjenigen, die an der Sendung teilgenommen

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